Warenhaus
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kommen bei anderen Unternehmungsarten des
Kleinhandels ganz in der gleichen oder nur in einer
entsprechend umgestalteten Weise vor. Die W. in
ihrem ausschlaggebenden Teil haben bald mit der-
artigen Gebarungen vollkommen gebrochen. Im-
merhin bildeten aber diese anfänglichen Auswüchse
nicht zu unterschätzende und in vollstem Maße
ausgenutzte Angriffspunkte gegen die W. und
blieben so nicht ohne Einfluß auf die noch an-
dauernde allgemeine Rechtslage des Warenhauses.
II. Sonderstellung im öffentli-
chen Leben. Das Erscheinen und der damit
sofort einsetzende zweifellose wirtschaftliche Er-
folg der W. mußte naturgemäß dem bisherigen,
den Detailhandel so gut wie allein beherrschenden
Kleinbetrieb, welcher vermöge jener Alleinherr-
schaft in althergebrachter Betriebsweise beharrt
hatte und dadurch den Forderungen der Neuzeit
gegenüber in einem höheren Grade rückständig
geworden war, aus seiner beschaulichen Ruhe auf-
rütteln, was zunächst scharfe Angriffe
auf die die Existenz des Kleinbetriebes bedrohen-
den W. zeitigte, später jedoch auch eine vorteilhafte
Umbildung der Kleinbetriebe, deren Fortbestehen
neben den W. sich als sehr wohl möglich erwies,
herbeiführte. Den Angriffen des bisher alleinigen
Kleinbetriebes des Detailhandels schloß sich mit
mehr Eifer als wirklicher Sachlichkeit die neu-
entstandene sog. Mittelstandsbewegung
an, eine wirtschafts= und sozialpolitische Par-
teiung, welche der Erhaltung eines gefestigten und
lebensfähigen Mittelstandes dienen will, aber auch
jetzt in ihren Zielen kaum völlig abgeklärt erscheint.
Das eigentliche Ziel dieser Angriffe war die
völlige Beseitigung der Warenhäu-
ser, die man nicht als eine berechtigte Erschei-
nung, sondern als krankhafte Auswüchse im wirt-
schaftlichen Leben ansah, die deshalb zur Wieder-
herstellung eines regelrechten und gesunden all-
gemeinen Wirtschaftsstandes unbedingt zu beseiti-
gen wären. Sofern nach den allgemeinen Grund-
sätzen der bestehenden Gewerberegelung ein ein-
faches Verbot des W. Betriebes nicht zu erreichen
stünde, wollte man indirekt diesen Betrieb durch
die Steuergesetzgebung und die Bau-
polizei unmöglich machen; namentlich hin-
sichtlich der Besteuerung verlangte man eine der-
artige Grundlage, daß darnach ein Bestehen der
W. ausgeschlossen wäre (Erdrosselungssteuer).
Der allgemeine gemeinnützige Zweck, welchen
die Mittelstandsbewegung auf ihre Fahnen ge-
schrieben, Erhaltung eines gefestigten und le-
bensfähigen Mittelstandes, mußte natürlich von
den Regierungen in vollstem Maße anerkannt
und gefördert werden. Die letzteren waren bei
dieser Sachlage vielfach gezwungen, dem An-
drängen einer größeren Parteiung mit einem
derartigen, dem Staatsinteresse entsprechenden
Zweck, wenn sie solches in seiner äußersten Kon-
sequenz auch als über das Ziel hinaussehend an-
sehein mochten, bis zu einem gewissen Grade nach-
zugeben.
So entstanden die Warenhaussteuer und
die baupolizeilichen Sondervorschriften, die
beide der Stellung der W. im Verw#echt eine
Eigenart geben.
§+2. Warenhaussteuer.
I. Allgemeine Charakterisierung.
Nach der Art ihres Entstehens entspringt die
W. Steuer keinerlei Finanzbedürf-
nis des Staats oder der Gemeinden, wie solches
sonst bei einer wirklichen Steuer der Fall ist und
dem Steuerbegriff als solchem entspricht. Das
Erträgnis spielt bei der W. Steuer überhaupt
keine Rolle. Die W. Steuer, wie sie jetzt als eine
eigene und selbständige Steuer besteht, ist ledig-
lich als ein Kampfmittel gegen die
Warenhäuser ins Leben gerufen und dient
wesentlich und in erster Linie wirtschaftlichen und
sozialen Zwecken, hinter welchen der eigentliche
Steuerzweck gänzlich zurücktritt. Daß die Regie-
rungen den Anträgen der W. Gegner, die eine zur
Beseitigung der W. führende Steuer verlangten,
nicht in vollem Umfang nachgaben und durch die
Höhe der Steuer unter keinen Umständen die
Lebensfähigkeit der W. unterbinden wollten, än-
dert an der Sachlage selbst nichts; die Regierungen
haben sich dadurch jedoch fortgesetzten Anträgen
auf Verschärfung der Steuer ausgesetzt.
Die W. Steuer, mag sie als eine selbständige
Steuer, mag sie in eine andere Steuerart, wie
namentlich die Gewerbesteuer (7/0, zum Teil aber
auch Einkommensteuer [NI, eingegliedert erschei-
nen, bewegt sich niemals in dem Rahmen der all-
gemeinen Besteuerung und widerspricht dadurch
dem obersten Steuerprinzip der Gerechtigkeit, das
Allgemeinheit und Gleichmäßigkeit der Besteue-
rung in einem übertragenen Sinne fordert. Es
handelt sich bei der W. Steuer stets um eine
Sonderbesteuerung. Steuerpolitisch ist
die W. Steuer unbedingt zu verwerfen; entgegen
dem praktischen Vorgehen der Regierungen wird
dieses von der Theorie mit mehr oder weniger
Schärfe allgemein anerkannt. Die Bedenken ge-
gen die W. Steuer als Sonderbesteuerung lassen
sich auch dadurch, wie versucht, nicht heben, daß
für das Steuererträgnis die Verwendung zu
einem besonderen gemeinnützigen Zweck, nament-
lich Förderung des Kleinhandels und Kleinge-
werbes, gesetzlich vorgeschrieben wird.
II. Geschichtliche Entwicklung. Die
erste kurze geschichtliche Entwicklung der W. Steuer
beginnt in Frankreich, woselbst die ersten W.
entstanden. Während England und im wesent-
lichen auch Nordamerika diese Besteuerung nicht
aufnahmen, fand sie seit Ende des 19. Jahrhun-
derts in Deutschland einen rasch ansteigenden
Eingang. Zunächst erschien hier die W. Steuer
als eine reine Gemeindesteuer, welche einzelne
Gemeinden auf Grund ihrer Besteuerungsbefug-
nis zur Einführung brachten. Besonders ausge-
dehnt und in sehr verschiedener Gestaltung griff
dieses von Anfang an und auch in späterer Folge
im Königreich Sachsen Platz, woselbst man von
staatlicher Steuerregelung bislang Abstand ge-
nommen hat. Durch staatliche Gesetzgebung
führte eine W. Steuer zuerst Bayern 1899
ein, unmittelbar danach folgte Preußen
1900, dann Württemberg 1903, Baden
und Braunschweig 1904, Anhalt und
Reuß j. L. 1906, Elsaß--Lothringen
1909 und Hessen 1911. Regelmäßig ist die
Steuer dadurch als Gemeindeabgabe festgelegt,
deren Hebung zum Teil sogar in das Belieben der
Gemeinden gestellt ist.
Grundsätzlich ablehnend gegen eine W. Steuer
verhielten sich bislang trotz verschiedentlicher ernst-
licher Anregungen die Hansestädte sowie Sachsen-