Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
  
Wassergenossenschaften 
  
geführt, sondern statuieren in verschiedenem Maße 
die Zulässigkeit eines Zwanges gegen wider- 
sprechende Beteiligte. Die Schwierigkeiten für 
den Gesetzgeber liegen auf diesem Gebiete ein- 
mal darin, daß die Anwendung eines Zwanges 
gegen Widersprechende verstärkte Garantien für 
die wirtschaftliche Nützlichkeit und Rentabilität 
des ganzen Unternehmens erfordert, damit die 
wider ihren Willen Beteilitten nicht materiell 
eschädigt werden (z. B. in Preußen und Elsaß- 
Hochringen früher für Drainagegenossenschaften 
Einstimmigkeit der Beteiligten verlangt). Eine 
weitere Schwierigkeit bietet die Abgrenzung des 
Kreises der Beteiligten und die Festsetzung des 
ihrem Interessenanteile entsprechenden Stimmen- 
verhältnisses, namentlich für solche Unterneh- 
mungen, bei welchen landwirtschaftliche und indu- 
strielle Interessen konkurrieren, wie z. B. Tal- 
sperren [VI, die Schutz gegen Ueberschwemmungen 
und gleichzeitig den Gebrauch des Wassers für 
Bewässerungen oder als Triebkraft gewähren. 
sollen. Am einfachsten gestaltet sich das Verhältnis 
bei den gewöhnlichen Ent= und Bewässerungs- 
Unternehmungen, und für diese einschließlich der 
Drainagegenossenschaften ist demgemäß fast über- 
all die Anwendung eines Zwanges gegen die 
widersprechende Minderheit vorgesehen. Im 
ganzen geht die Tendenz der neueren Gesetzge- 
bung offensichtlich auf Erweiterung der 
staatlichen Zwangsge walt. Es tritt 
dies besonders in Preußen hervor bei Vergleich 
des Gesetzes von 1879 und seiner Vorgeschichte 
mit dem Gesetz von 1913, dessen Zwangsvor- 
schriften durch die Beschlüsse des Landtages noch 
wesentlich verschärft worden sind. 
§ 5. Fortsetzung. Der gesetzliche Zwang im 
einzelnen. Es sind zu unterscheiden Zwangs- 
genossenschaften, „d. h. solche, die gegen 
den Willen aller oder der meisten Beteiligten 
durch behördliche Anordnung gebildet werden 
können und Genossenschaften mit 
Beitrittszwang, bei denen der Zwang 
nur gegen eine widersprechende Minderheit von 
Beteiligten geübt wird. Als dritte hier in Be- 
tracht kommende Gruppe wäre noch diejenige 
zu bezeichnen, bei der die Bildung von W. un- 
mittelbar durch das Gesetz erfolgt 
ist (preuß. G v. 14. 7. 04 und Wasser G v. 1913 
392, sächs. Wasser G § 65). 
1. Die Bildung dieser reinen Zwangsge- 
nossenschaften ist bezeichnend für die Entwick- 
lung der Gesetzgebung (vgl. J 4). In Preußen, 
soweit sie früher zulässig war, durch das G v. 1879 
beseitigt, ist sie im Wasser G v. 1913 +B8 245 ein- 
geführt für die Unterhaltung natürlicher Wasser- 
läufe in gewissen Fällen, sodann „Jur Beseitigung 
von Hindernissen des Hochwasserabflusses, wenn 
sie zur Verhütung von Hochwassergefahr not- 
wendig ist“, ferner „zur Reinhaltung von Ge- 
wässern [/I, wenn schwerwiegenden Mißständen 
auf andere Weise nicht abgeholfen werden kann“: 
In Bayern sind nach dem Wasser G von 1907 
Zwangsgenossenschaften namentlich für die In- 
standhaltung von Gewässern vorgesehen (a 111, 
112, 135), doch sind sie auf diesen Fall nicht be- 
schränkt (a 188 vgl. m. a 187). Die übrigen Ge- 
setgebungen gehen nicht so weit, vgl. aber 
Baden s 89 Abs. 4 des Wasser G v. 1913. 
2. Allgemein ist dagegen die Zulässigkeit eines 
  
Beitrittszwanges vorgesehen und zwar 
meist nicht, wie früher, bloß für W. zu landwirt- 
schaftlichen Zwecken. In Preußen ist nach 
#238 des WasserG von 1913 der Zwang zum 
Beitritte bei den in § 206 Nr. 1—5, 9, I1, 12 
und 14 bezeichneten Zwecken zulässig. Voraus- 
setzungen sind, daß das Unternehmen zweckmäßig 
nur auf genossenschaftlichem Wege durchge führt 
werden kann, daß die Mehrheit der Beteiligten 
der Genossenschaftsbildung zustimmt und daß das 
Unternehmen unter Berücksichtigung der Genossen- 
schaftslasten für die Beteiligten Vorteile in Aus- 
sicht stellt, bei Genossenschaften zur Reinhaltung 
auch, wenn das Unternehmen zur Beseitigung 
der von ihnen hervorgerusenen Verunreinigung 
dient. Die Mehrheit wird nach der Fläche und 
dem Grundsteuerreinertrage der Grundstücke be- 
rechnet, wenn aber Bergwerke, gewerbliche An- 
lagen usw. mitbeteiligt sind, nach dem geschätzten 
Vorteilsmaßstabe. Die ausgebliebenen oder bei 
der Verhandlung nicht abstimmenden Beteiligten 
gelten als der Mehrheit der abgegebenen Stim- 
men zustimmend. Zulässig ist der Beitrittszwang 
auch gegenüber solchen Grundstücken, für die das 
Unternehmen keinen Vorteil in Aussicht stellt, 
sofern ihre Zuziehung im Interesse der Sache 
geboten erscheint. Sie sind aber von Genossen- 
schaftslasten befreit, und ihr etwaiger Schaden 
ist von der Genossenschaft zu ersetzen. 
In Bayern ist nach a 11II, 112 Wasser G 
die Ausübung des Beitrittszwanges davon ab- 
hängig, daß die Mehrheit der Beteiligten zu- 
stimmt, daß ferner das Unternehmen zweckmäßig 
nur bei Ausdehnung auf die Grundstücke der Wi- 
dersprechenden ausgeführt werden kann (diese 
Bedingung galt früher auch in Preußen) und daß 
der voraussichtliche Nutzen des Unternehmens 
den zu erwartenden Schaden überwiegt. Die 
Mehrheit wird verschieden berechnet, je nachdem 
es sich um Genossenschaften zur Benutzung oder 
zur Instandhaltung von Gewässern oder zur An- 
lage von Trieb= und Nutzwasserleitungen handelt 
(a 140, 149, 151). In Sachsen ist ein Bei- 
trittszwang nur bei W. mit beschränkter Beitrags- 
pflicht zulässig, die erforderliche Stimmenmehr- 
heit wird nach dem zu erwartenden Nutzen be- 
rechnet (§ 129, 3 114 Nr. 4 Wasser GC); W. zur 
Unterhaltung der Wasserläufe sind durch das 
G unmittelbar gebildet (§65). In Württem- 
berg ist (a 84 Wasser G) der Beitrittszwang 
beschränkt auf genossenschaftliche Be- und Ent- 
wässerungsanlagen für Zwecke der Bodenkultur 
oder Torfgewinnung, die Mehrheit wird gemäß 
a 91 nach der Zahl der Beteiligten und dem 
Grundsteuerkapital berechnet. Erheblich weiter 
geht in Baden, Hessen und lsaß- 
Lothringen die Zulässigkeit des Beitritts- 
zwanges. Das badische WasserG in der 
Fassung von 1913 5§8 76 f, 89 läßt ihn zu für alle 
wassergenossenschaftlichen Unternehmungen, die 
einem öffentlichen Interesse oder einem über- 
wiegenden Interesse der Landeskultur oder der. 
Industrie dienen, und zwar nicht bloß für Neu- 
ausführung von Anlagen, sondern auch für Un- 
terhaltung, Verbesserung und Betrieb bestehen- 
der Anlagen. Wegen Berechnung der Stimmen- 
mehrheit vgl. 5 81. Das hessische G v. 
1887 sieht den Beitrittszwang für alle in a 32 
bezeichneten Arten von W. vor, vgl. a 52. Die
	        
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