Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
Wegerecht (Preußen) 
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haltbar zu machen, in größerem Umfange an und trat durch 
verschiedene Schriften für dessen weitere Verbreitung ein. 
Mit dem Ausbau des Eisenbahnnetzes in Preu- 
ßen verschob sich das Bild wieder: der durch- 
gehende Verkehr wurde von der Eisenbahn über- 
nommen, die Land= und Heerstraßen verloren als 
Koße Durchgangslinien ihre Bedeutung, der 
usbau eines hinreichend dichten Netzes örtlicher 
Verkehrs W, die den Verkehr an die Eisenbahn- 
und Schiffahrtslinien heranzubringen haben, 
wurde die Hauptsache. Demgemäß trat auch in 
der Stellung des Staates zu dem gesamten 
WWesen eine Aenderung ein; der Staat über- 
nahm das Eisenbahnwesen (71, gab das WWesen 
dagegen, soweit die Gemeinden nicht schon dafür zu 
sorgen hatten, an die Selbstverwaltungskörper ab, 
die jetzt an einem sachgemäßen Ausbau des ört- 
lichen Verkehrsnetzes das größte Interesse hatten. 
Den Provinzen IJI wurden hierzu und zur 
Unterstützung der Kreise [I] und Gemeinden 
beim WBau vom Staate Geldmittel zur Ver- 
fügung gestellt. Diese letzte Periode der Entwick- 
lung ist jetzt abgeschlossen. 
Die Oberaufsicht über die öffentlichen 78 
ist im Hinblick auf das überwiegende öffentliche 
Interesse an einem geordneten WWesen dem 
Staate verblieben: sie erschöpft sich jedoch hier 
in der doppelten Aufgabe, die Rechtsgrundsätze 
für die WBau-= und -Unterhaltungspflicht fest- 
zustellen und für den Schutz der öffentlichen 
W und des auf ihnen sich vollziehenden Verkehrs 
u sorgen. Wieweit etwa die Zunahme der Kraft- 
sahrzeuge IN| Veranlassung werden könnte, von 
den jetzt geltenden Grundsätzen wieder abzugehen 
(Bau besonderer Automobilstraßen durch den 
Staat?), läßt sich zur Zeit nicht sagen; es ist jedoch 
kaum anzunehmen, daß für den großen Durch- 
gangs verkehr der Autobetrieb auch für die Per- 
sonenbeförderung eine Bedeutung erlangen wird, 
die ein Eintreten des Staates rechtfertigen würde. 
II. Infolge dieser Entwicklung wurde auch 
die Wegegesetzgebung in Preußen nur 
langsam und stückweise ausgebaut; sie ent- 
behrt daher jeder Einheitlichkeit. 
Die Grundlage für das Wecht bildeten die 
schon erwähnten Bestimmungen des Allge- 
meinen Landrechts über Land- und 
Heerstraßen, Chausseen und ländliche Gemeinde- 
W; über städtische Gemeinde W und W in Guts- 
bezirken enthält das ALR überhaupt keine 
Vorschriften. Daneben gelten jetzt noch für 
Privat Wdie § 63—79 I, 22 ALz, mit den durch 
das BGB (Ec a 113, 123; BB 55K 917, 918) 
bedingten Abänderungen. Jedoch gilt das ALR 
nur subsidiär, soweit nicht besondere Provinzial- 
gesetze über das WWesen bestehen (5 15 II. 15). 
Die Vorschriften des AL erwiesen sich sehr bald 
als ungenügend; Reformversuche begannen 
schon etwa vom Jahre 1808 ab, 1820 wurde 
zum ersten Male versucht, für den ganzen Staat 
eine einheitliche allgemeine WO zu er- 
lassen. Der Versuch, der später 1865, 1875—1877 
wiederholt wurde, scheiterte an der zu gro- 
ßen Verschiedenheit der örtlichen Verhältnisse 
in den einzelnen Prov, die den Erlaß eines 
einheitlichen Gesetzes für die ganze Monarchie 
unmöglich machten. Der Plan ist deshalb ausge- 
geben worden und man ist dazu übergegangen, 
O für die einzelnen Provinzen 
  
hesondert zu erlassen. Solche sind bis jetzt er- 
gangen für die Prov Sachsen (1891), Westpreußen 
(1905), Posen (1907), Ostpreußen (1911). 
Daneben hatte sich schon früher infolge der Ver- 
kehrsentwicklung für den Staat die Notwendigkeit 
ergeben, die außerordentliche Wege- 
baulast zu regeln, d. h. die Verpflichtung der- 
jenigen zur Leistung besonderer Beiträge gesetzlich 
festzulegen, die einen W in außerordentlicher 
Weise abnutzen. Diese Bestimmungen ergingen 
zunächst auch für die einzelnen Prov; sie sind 1902 
durch ein für die ganze Monarchie geltendes Ge- 
setz ersetzt worden. Ebenso erfuhr die Gesetz- 
gebung über das Chaussee wesen gegen 
die Mitte des 19. Jahrh. mit dem zunehmenden 
Bau von Chausseen eine erhebliche Ergänzung; 
die damals erlassenen Bestimmungen gelten mit 
einigen Aenderungen heute noch. 
In den neuen Provinzen geht die 
Gesetzgebung auf Vorschriften aus vorpreußischer 
Zeit zurück, die dem Bedürfnisse entsprechend 
abgeändert und ergänzt worden sind. 
ie Zuständigkeit der W Pol ist ein- 
heitlich geregelt durch den Titel XI des Zust G. 
Die polizeimäßige Reinigun g öffentlicher 7 
ist neuerdings durch G v. 1. 7. 1912 endgültig gere- 
gelt worden (§ 5 IV). Zweck dieses Gesetzes war, 
eine sichere Grundlage für die vielfach zweifelhafte 
Frage zu schaffen, wer zur Straßenreinigung in 
geschlossenen Ortschaften rechtlich verpflichtet ist. 
Die Anlegung von Straßen insbesondere 
regelt das Fluchtliniengesetz v. 2. 7. 1875 
(unten #5). 
Die Reichsgesetzgebung, deren Zu- 
ständigkeit für die Herstellung von Landstraßen 
im Interesse der Landesverteidigung und des 
allgemeinen Verkehrs durch a 4 Ziff. 8 der R# 
ausdrücklich festgelegt ist, hat auf diesem Gebiete 
gar nicht, in anderer Beziehung nur unwesentlich 
in die wegerechtlichen Anordnungen Preußens 
eingegriffen; in Betracht kommen einige Bestim- 
mungen aus dem Zoll VV (XlI von 1867 und dem 
VereinszollG von 1869 über die Erhebung von 
Verkehrsabgaben, das Telegraphenwege G [(JlI 
von 1899 über die Benutzung öffentlicher 7 
zur Anlage von Telegraphen= und Telephon- 
leitungen, und eine Bestimmung des Reichs- 
rayon G von 1871 über die Anlegung von W im 
Festungsgelände (JI. 
2. Begriff, Einteilung der Wege. 
. W ist ganz allgemein jeder für den Verkehr 
von Menschen untereinander bestimmte Teil der 
Erdoberfläche. Die sämtlichen Arten von W kann 
man nach drei -Gesichtspunkten einteilen: 1. in 
öffentliche Wege und Privatwege 
(näheres II), 2. je nach der Art der Bauaus- 
führung in gewöhnliche Verbindungs- 
wege und kunstmäßig ausgebaute 
Wege (Kunststraßen, Chausseen, im ALK auch 
Dammstraßen genannt; man nehme das gute 
deutsche Wort wieder auf!), 3. nach dem Träger 
der Unterhaltungspflicht in Staats-, Pro- 
vinzial-, Kreis-, Gemeindewege. 
Einen besonderen Begriff für die großen, vom 
Staate zu erbauenden und zu unterhaltenden 
Durchgangsstraßen hatte das ALnR in den „Land- 
und Heerstraßen“ geschaffen. Sie wurden be- 
stimmt als W, die von einer Grenze des Landes 
zu einer anderen, oder von einer Stadt, von 
  
  
v. Stengel-Fleischmann, Wörterbuch. 2. Aufl. III. 57
	        
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