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Pfründe — Plazet
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der Staat (katholische Kirchenrat) und der Bischof
von Rottenburg zusammen. Seine Einnahmen
bilden noch heute die Erträgnisse der erledigten
P. (s. 87). Ihm entspricht eingermaßen der evan-
gelische Geistliche Unterstützungsfonds von 1815
(RBl. 1821 S. 693). Desgleichen hat Baden .
einen solchen katholischen Interkalarfonds,
den der katholische Oberstiftungsrat verwaltet,
dessen Mitglieder Katholiken sein müssen und zur
Hälfte vom Erzbischof, zur Hälfte von der Regierung
aus beiden Teilen genehmen Persönlichkeiten er-
nannt werden, V v. 20. 11. 61 §5 3, 8.
In anderen Staaten fallen zwar die Interkalar-
früchte ebenfalls an gewisse allgemeine Fonds,
die zur Bestreitung kirchlicher Bedürfnisse die-
nen, aber für diese sind auch andere Einnahme-
quellen eröffnet. Hierher gehören in Nassau der
Zentralkirchenfonds für die evange-
lische und der für die katholische K, beide mit ju-
ristischer Persönlichkeit. Der erstere ist aus ver-
schiedenen früheren geistlichen Gesamtstiftungen
gebildet (Ed. v. 8. 4. 1818 5 18; G. 31. 3. 1895
a 3, s. auch PrGS. 1895 S. 129 +P17) und wird
jetzt vom Konsistorium in Wiesbaden verwaltet,
jedoch steht der Bezirkssynode die Festsetzung der
Voranschläge und der Rechnungen (G v. 6. 4. 78
a 22; KG und SOv. 4. 7. 77 § 72 Nr. 6; Konsisto-
rialErl v. 2. 8. 87) zu. Der letztere ist durch Ed. v.
9. 10. 27 aus den Einkünften erledigter K Aemter
und aus jährlichen Abgaben von einzelnen KAem-
tern gegründet und von der preußischen Regierung
durch Abkommen v. 20. 10. 68 der Verwaltung
des Bischofs von Limburg unterstellt worden.
Einen verwandten Charakter hat der sog. Re-
ligionsfonds in Oesterreich. Er ist
unter Joseph II aus den säkularisierten (J]Kirchen-
gütern angelegt worden und hat seinen Zuwachs
durch das Vermögen der mit aufgehobenen Or-
den [ in Verbindung stehenden Brüderschaften,
der beseitigten einfachen Benefizien, der einge-
gangenen K usw. erhalten. Der Fonds besteht
für die einzelnen Kronländer und wird von den
Landesstellen unter Mitaufsicht der Bischöfe ver-
waltet. Das G v. 7. 4. 74 5 54 hat das schon
früher bestehende Recht, wonach die Einkünfte er-
ledigter weltgeistlicher P. an den Religionsfonds
fielen, unter Beseitigung der bisherigen Exemtion
der P. einzelner weltgeistlicher Korporationen
aufrechterhalten, und ein weiteres Gesetz von dem-
selben Tage hat die früher festgestellte Beitrags-
pflicht der Inhaber kirchlicher P. und der regulären
Kommunitäten zum Religionsfonds neu geordnet.
Literatur: L. Groß, Das Recht an der P.,
zugleich ein Beitrag zur Ermittlung des Ursprungs des
Ius ad rem, 1887 (dazu v. Scherer in Arch für kathol.
#8o,Necht 58, 459); Meurer, Der Begriff und Eigen-
tumer der heiligen Sachen, 1884/85 S 2, 164, 268, 236,
311, 391: W. Brandis, Das Nutungsrecht des Pfarrers
an den Grundstücken der P. im Arch f. kath. KRecht 61, 285;
Friedverg Lehrb. d. KR.“ (1900) / 175, 178 ff. (bes.
zu 55 6, 701 Süägmüller, Lehrbuch des kath. KRechts'
(1909) S5 200 f, S 880 ff (wo weitere Literatur); Mrier-
Friedberng, Art. Benefizium, Realenzykl. für protest.
Theologie und K.“" II 591 ff. Hin schius, Das preu-
ßische K Recht im Gebiete des ALR, 1884, 420 ff; Schoen,
Das evang. KfRecht in Preußen 2 (1910), S 137 f, 157 f,
432 ff; Meurer, Baderisches K Vermögenerecht, II (1901):
Bayerisches Pfründerecht. Hinschius (Smend).
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z 1. Begriff. 1 2. Geschichtliches. 4 3. Bayern. 1# 4.
Sachsen. 1 5. Württemberg. 1 6. Elsaß-Lothringen.
1. Begriff. Nach älterem Sprachgebrauch
ist P. das Recht des Staates, von allen Betäti-
gungen der Kirchengewalt innerhalb der Landes-
grenzen Kenntnis zu nehmen, sie vom staatlichen
Gesichtspunkt aus zu prüfen und über ihre Zu-
lässigkeit Entscheidung zu treffen. So verstanden
erscheint das P. nur als ein anderer Ausdruck für
Kirchenhoheit (JX|] und tritt in sehr verschiedenen
Formen auf: als positive Direktion bei der kirch-
lichen Vermögensverwaltung, als Genehmigung
bei der Einführung von geistlichen Orden (J#, als
Vorschlago der Vetobei der Pfründenbesetzung (JI,
als Vollstreckbarkeitserklärung bei kirchlichen Dis-
ziplinarentscheidungen u. dgl.
Technisch wird dagegen heute mit P. die-
jenige Vorschrift des Staatskirchenrechts bezeich-
net, wonach Anordnungen der kirchlichen Behör-
den vor ihrem Erlaß der Staatsbehörde mitzu-
teilen und erst dann verkündet oder in Vollzug
gesetzt werden dürfen, wenn sie die staatliche Ge-
nehmigung erhalten haben. Dieses eigentliche
P. soll dem Staat eine Sicherheit dafür bieten,
daß die Kirchengewalt sich innerhalb der ihr zus
gestandenen Grenzen bewegt und ein Mittel zur
Hand geben, etwaigen Uebergriffen von kirch-
lichen Anordnungen in bürgerliche und staatliche
Verhältnisse von vornherein mit Erfolg zu be-
gegnen.
# 2. Geschichtliches.
Bis zum 15. Jahrhundert hatte das P. einen rein befen-
siven Charakter und diente lediglich dazu, päpstliche
Bullen fern zu halten, durch welche die Macht der römi-
schen Kurie auf dem Gebict der Juriediktion und des Bene-
sizialwesens in Widerspruch mit der bestehenden Landes-
gesetzgebung ausgedehnt wurde. Erst seit dem Basler Konzil
macht sich mehr und mehr die Anschauung geltend, daß der
Staat berechtigt sei, die gesamte kirchliche Gesetzgebung
zu kontrollieren und allen Anordnungen der kirchlichen
Leitungsgewalten die Folge zu versagen, sofern dieselben
staatliche Interessen verletzen. Von diesem Gesichtspunkt
aus hat zuerst in Frankreich eine Crdonnanz Lud-
wigs XlI. von 1475 bei schwerer Strafe die Vorlegung
aller von Rom ausgehenden Erlasse verlangt: pour
estre veues et visit ées et scavoir, sl elles peuvent tourner
à aucun préjudice ou dommage à nous et aux privileges,
franchises et libertez de la dite eglise Gallicaune. Aehn-
liche Besehle ergingen noch zu Ende des 15. Jahrhunderts
ein Spanien (1492) und Portugal (1486), während
des 16. Jahrhunderts auch in den Niederlanden,
in dem Königreich beider Sizilien und Sardinien,
im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts in Venedig
und Oesterreich.
Für Deutschland kommt das P. schon früh-
zeitig in Bayern vor (1491). Eine feste ge-
setzliche Regelung hat es aber, abgesehen von
Preußen, wo das ALR von 1794 ein volles
System staatskirchenrechtlicher Normen entwickelte
(11 2 § 135: „Kein auswärtiger Bischof oder an-
derer geistlicher Oberer darf sich in Kirchensachen
gesetzgebende Macht anmaßen“; § 117: „Kein Bi-
schof darf in Religions= und Kirchenangelegenheiten
ohne Erlaubnis des Staates neue Verordnungen
machen oder dergleichen von fremden geistlichen