Wegerecht (Bayern)
911
elang, zwischen den vorhandenen gegensätzlichen
Kuffczzungen und Wünschen zu vermitteln. Im
Jahre 1902 vermochten sich die beiden Kammern
des Landtags nicht einmal über einen an die
Staatsregierung zu stellenden Antrag auf
Vorlage eines Straßengesetzes zu einigen; im Jahre
1906 traf einen trotz dieser ungünstigen Auspizien
vorgelegten Entwurf das Schicksal seines Vor-
ängers. Gleichwohl sind die Wünsche nach ge-
etzlicher Regelung des Straßenwesens nicht ver-
stummt und kamen im Oktober 1913 bei der
Beratung des Etats der Staatsbauverwaltung in
der Kammer der Abgeordneten wieder so ein-
ellig zum Ausdruck, daß der Staats Min des
nnern, Frh. v. Soden-Fraunhofen, für die
nächste Landtagssession die Vorlage eines neuen
Entwurfs in Aussicht stellte (vgl. St Ber d. Ver-
handlungen der bayer. Kammer der Abgeordneten
VII, S 267).
# 2. Begriff und Einteilung der Wege.
I. Oeffentliche W sind solche W, die durch
einen Verwaltungsakt des Staates
oder eines Gemeindeverbandes
dazu bestimmt wurden, dem allgemeinen
Gebrauche zu dienen. Sie sind Verwaltungs-
einrichtungen des Staates oder des Gemeinde-
verbandes und zwar öffentliche Sachen.
Im Gegensatz hiezu sind Privatwege
solche W, deren Gebrauch, sei es der Allgemeinheit,
sei es bestimmten Einzelpersonen, nur kraft Privat-
rechts offensteht. Sie bleiben in der vorliegenden
Darstellung außer Betracht.
Nicht in Widerspruch mit dem Begriff des
öffentlichen W steht es dagegen, wenn ein W
nur für den Verkehr und Verkehrsmittel einer
bestimmten Art —z. B. als Fuß-, Reit= oder
Radfahr W, Viehtrieb, Kirchen= oder SchulW —
zu dienen bestimmt ist. Bedingung ist nur, daß
er innerhalb dieser Zweckbestimmung jedermann
zugänglich ist, der gewillt und in der Lage ist,
ihn zu benützen.
Der Begriff des öffentlichen W umfaßt sowohl
seine einzelnen „Bestandteile“ wie die „Zuge-
hörungen“. Als solche sind vor allem anzusehen
die Böschungen, Straßengräben und Durchlässe,
Brücken und Stege, Geländer, Warnungstafeln,
WWeiser und Baumpflanzungen, nicht dagegen
Einrichtungen zur Straßenbeleuchtung.
II. Vom Standpunkt der Wegebaulast aus
betrachtet lassen sich in Bayern 6 verschiedene
Gattungen von öffentlichen W unterscheiden:
1. Staatsstraßen, 2. Distriktsstraßen, 3. Gemeinde-
(verbindungs) W, 4. Ortsstraßen, 5. Feld W,
6. Leinpfade ([J#l.
Die Klassen 3—5 werden vielfach (so vor allem
von Seydel) unter dem Begriff „Gemeinde-
wege" zusammengefaßt; die bayerische Gemeinde-
ordnung versteht jedoch darunter nur die „Ge-
meinde verbindungswege“ (vgl. Kahr S
365 Anm. 66). Der’ Entwurf eines Straßen-
gesetes vom Jahre 1855 hatte nach Maßgabe
es Landrats G v. 28. 5. 52 und des Landtagsab-
schieds vom gleichen Tage die Schaffung von
„Kreisstraßen“ vorgesehen; solche sind aber nie
zur Ausführung gekommen. Dafür werden aus
Kreismitteln freiwillige Zuschüsse zu Distrikts-
straßen und vereinzelt auch für Gemeinde W ge-
währt. Der Entwurf vom Jahre 1906 (oben 51IV)
unterschied in a 1 die oben angeführten Klassen
1—5 und lehnte eine anderweite Straßeneintei-
lung schon um deswillen ab, „weil unter den
gegenwürtigen Zeitverhältnissen, wo sich der große
erkehr den Eisenbahnen zuwendet und die andern
VerkehrsW nur als Kommunikationsmittel inner-
halb einer mehr oder minder begrenzten örtlichen
Interessensphäre und als Saugadern für das
Schienennetz erscheinen, von Landes-, Haupt= oder
Kommerzialstraßen im früheren Sinn des Wortes
wohl nicht mehr gesprochen werden könne.“ Die
Einteilung nach der Waulast ist auch jetzt noch
die allgemein übliche (vgl. unten # 4).
III. Nicht zu den öffentlichen W gehören die
Eisenbahnen, denn sie sind weder öffent-
liche Sachen noch Gegenstand eines allgemeinen
Gebrauchsrechtes.
# 3. Allgemeine Rechtsverhöltuisse; Ge-
branchsbefugnis. I. Die Entstehung eines
öffentlichen W setzt einen begründenden Ver-
waltungsakt I/NI des Staates oder eines
Gemeindeverbandes voraus. Die Widmung wird
im allgemeinen durch förmliche Erklärung er-
folgen, — etwa durch eine Bekanntmachung des
Inhalts, daß der W von einem bestimmten Tage
an dem allgemeinen Verkehr offen stehe —; sie
kann aber auch stillschweigend vor sich gehen, in-
dem der W als öffentliche Verkehrseinrichtung
behandelt, also vor allem unterhalten wird. Be-
sonders bei den von alters her bestehenden Ge-
meinde W wird sich eine ausdrückliche Uebernahme
nur selten nachweisen lassen: hier muß der öffent-
liche Charakter aus der seit langer Zeit und ohne
Beanstandung erfolgten Benutzung durch die
Allgemeinheit gefolgert werden.
Eine Rechtspflicht zur Schaffung eines
öffentlichen W besteht für den Staat überhaupt
nicht, für die Gemeindeverbände nur insofern, als.
der Staat sie in den vom Gesetz bestimmten Fällen
zur Lerkellung oder Uebernahme eines öffent-
lichen W im Aufsichtswege zwingen kann. Die
Geltendmachung dieses Zwanges ist Sache des.
verwaltenden Ermessens, über seine rechtliche Zu-
lässigkeit entscheiden im Streitfall die VerwGe-
richte. Bei der Darstellung der WBaulast (s. u.
4) wird von der Entstehung der einzelnen Klassen
der öffentlichen W noch des näheren die Rede
ein.
Anlage wie Bestand eines öffentlichen W setzen
notwendig voraus, daß die betreffende öffentliche
Gewalt über die notwendige Bodenfläche
u verfügen berechtigt ist. Andern-
salts mangelt dem Verwdkt die rechtliche Grund-
lage. Wird das Verfügungsrecht bestritten, so-
ist es vor den bürgerlichen Gerichten zu erweisen.
In der Praxis wird die Herstellung eines öffent-
lichen W meist dadurch gesichert sein, daß der
erforderliche Grund und Boden sich im Eigen-
tum des Staates usw. befindet; es genügt aber
auch die Belastung mit einer Dienstbarkeit.
Bei Ortsstraßen (unten # 4 Ziff. 4) ist oft nicht
einmal eine solche vorgesehen; es kann dann vor-
kommen, daß der Eigentümer der Grundfläche
dem Straßenkörper die Eigenschaft als „öffent-
liche Straße" wieder entzieht (vgl. bayer. Obst. LG.
E. i. Str S. 6 S 197 und das. zit. E.). Eigentum
oder Dienstbarkeit werden gemäß den Vorschriften
und mit allen Rechtstiteln des bürgerlichen Rechts
(also z. B. auch durch Ersitzung) erworben; da-
neben kommt als dem öffentlichen Rechte entstam-