926
Wegerecht (Hessen — Elsaß-Lothringen)
und Religionsgemeinschaften im Staate betref-
fend, ist die Benutzung öffentlicher W und Plätze
zu kirchlichen oder religiösen Feierlichkeiten nur
mit Zustimmung der Obrigkeit gestattet.
# 8. Einziehung und Verlegung. Besteht
Streit darüber, ob ein W ein öffentlicher ist oder
nicht, so ist dieser Streit nach a 133, 1 Pos. 5 des
G v. 8. 6. 11 im Verw treitverfahren auszu-
tragen.
Die Kreise sind nur dann befugt, eine Kreis-
straße aufzugeben, wenn notwendiger
Ersatz durch eine anderweite Kunststraße geschaffen
ist oder eine Kunststraßenverbindung durch das
Verkehrsbedürfnis nicht mehr erforderlich wird.
Der Kreistag hat über das Aufgeben der Unter-
haltung einer Kreisstraße zu beschließen. Der
Beschluß ist zu veröffentlichen. Jeder irgendwie
Beteiligte hat das Beschwerderecht an den Pro-
vinzialausschuß und das Min Inn. Etwaige pri-
vatrechtliche Ansprüche können das Aufgeben der
Unterhaltung einer Kreisstraße nicht hindern,
sondern nur ein Recht auf Entschädigung ge-
währen, worüber im Rechtswege zu entscheiden
ist. Das Gelände der Straßenstrecke ist den
Beteiligten insoweit zurückzugeben, als es in
ihrer Gemarkung liegt (a 4 G betr. die Kunst-
straßen).
Mill eine Gemeinde, Stadt= oder Landge-
meinde, einen bestehenden Gemeindeweg
schließen, so wird die Schließung im Orts-
bauplan vorgesehen. Die Gemeinde ist berechtigt
und auf Verlangen der Grundstücksbesitzer ver-
pflichtet, solche Grundstücke, die an diesem Ge-
meinde Wgelegen sind, demnächst aber nach der
Schließung von keinem öffentlichen W berührt
werden, nötigenfalls durch Enteignung zu er-
werben. Nach erfolgter Enteignung wird der
Gemeindeweg geschlossen. Die enteigneten Grund-
stücke sind auf Verlangen der angrenzenden
Grundbesitzer an diese gegen Ersatz der Kosten
abzutreten.
Auch die Verlegung und Verände-
rung der Höhenlage böffentlicher W
wirkt, wie die Schließung, auf die beteiligten
Grundbesitzer unter Umständen sehr nachteilig
ein. Wie bei der Fluchtlinienfestsetzung gibt es
jedoch auch hier grundsätzlich ein Recht auf Fort-
bestand des alten Zustandes nicht. Doch besteht
für die Anlieger von Ortsstraßen ein Recht auf
Schadensersatz in gewissen Fällen. Die Besitzer
anliegender Hofreiten oder Bauplätze an Orts-
straßen können im Falle einer wesentlichen Er-
schwerung des Zugangs in gewissen Fällen Scha-
densersatz geltend machen. Im Falle der Straßen-
veränderung kann der volle Schadensersatz ver-
langt werden für alle Aufwendungen, die not-
wendig sind für Pflasterarbeiten und die Her-
stellung eines brauchbaren Zuganges (a 16 BauO).
Bei Festsetzung der Eutschädigung ist jedoch zu-
gunsten der Gemeinden die etwaige Werterhöhung
in Berucksichtigung zu ziehen, welche durch die
Veränderung der Straßen für die Liegenschaft
erwachsen ist. Im Falle der Schließung einer
Ortstraße — die Verlegung kommt ihr in vielen
Fällen gleich — kann der Eigentümer nach a 17
BaudL die Enteignung fordern. Dei Anspruch
auf Schadensersatz besteht für den jeweiligen
Eigentumer, also auch für den Rechtsnachfolger.
Literat#r: Der von der hessischen Regierung im
Jahre 1913 vorgelegte Entwurf einer revidierten Bau-
ordnung; Drucksachen der hessischen Kammerverhandlungen
(Motive, Protokolle usw.) aus den Jahren 1880, 1881,
1886, 1895, 1896, 1899. 1901, 1902, 1905/08 (Drucki. IV
Nr. 549). — Frhr. v. Schenk, Handausgabe des Kunst-
straßen G., 1904. Slsffinsg.
G. Elsaß-LKothringen
1. Einleitung. 1 2. Allgemeine Bestimmungen.
Staats-, Bezirks= und Bizinalstraßen, Bizinalwege.
Feldwege und Crtsgassen.
* 3.
5* 4.
S 1. Einleitung. I. Während sich in Preußen das
Mecht in den einzelnen Provinzen verschieden
entwickelt hat und noch heute durch Provinzial=
gesetze geregelt wird, kennt das französische Rocht
nur einheitliche WGesetze für das ganze Land.
Diese sind mit wenigen Abänderungen imn Reickhs-
land noch in Geltung. Und zwar behandelt das al-
teste französische Edikt (heute noch Gesetzeskraft)
vom Dezember 1607 eine Frage des WMechts, die
Bauflucht. Wegerechtliche Bestimmungen finden
sich in den verschiedensten Edikten, BVerordnungen
Dekreten, Gesetzen, Staatsratsgutachten. Die
ersten systematischen Bestimmungen bringt die
V v. 6. 2. 1776, durch welche die Straßen nach
ihrer Bedeutung für den Verkehr eingeteilt wer-
den. Durch das Dekret v. 26. 12. 1811 wurden
dic Bezirksstraßen von den Staatsstraßen geschie-
den. Die wichtigsten Bestimmungen enthält das
G v. 21. 6. 36, das den heute bedeutendsten Teil
der Straßen, die Vizinalstraßen behandelt.
II. Die Straßen zerfallen in folgende Arten:
Staatsstraßen, die ursprunglich dem
durchgehenden Verkehr zwischen größeren Landes-
teilen und mit angrenzenden Staatlen sowic als
verr. und rbankazen dienten;
Bezirksstraßen, für den Verke zwi-
schen den größeren Städten des Bezirks hr oͤwt
Vizinalstraßen, die den Verkehr zwi-
schen einer größeren Anzahl benachbarter (e-
meinden zu vermitteln oder als Zufahrtsstraßen
zu den Eisenbahnen und Wasserstraßen zu dienen
hatten und in Vizinalwege von großeom Verkohr
und Vizinalwege von gemeinsamem Interosse
zerfallen; *r «
gewöhnliche Vizinalwege, die
Verkehrszwecken der einzelnen Gemeinden dienen:
Feldwege zur landwirtschaftlichen ·
nuåung der Gemarkung und
rtsstraßen, die innerhalb ein Ort-
schaft liegenden Straßen und Plätze, soweit 75
nicht Fortsetzung von Staats-, Bezirks-, Vizinal-
straßen oder Vizinalwegen bilden. ·
III. Die moderne Verkehrsentwicklung insbeson-
dere die Uebernahme des größeren Teils der Veor-
kehrsvermittlung durch Eisenbahnen und Kanale
und das hierdurch bewirkte Verschwinden des Un-
terschiedes in der Bedeutung der einzelnen Arten
der Straßen, sowie das Besptreben, durch Ueber-
tragung der Verwaltung des Straßenwesens an
die - die Selbstverwaltung in Elsaß-Lothrin-
gen zu fördern, führte in den Jahren 1878 und
Aus-