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Wegerecht (Elsaß-Lothringen)
meinsamem Interesse im Unterelsaß und in
Lothringen den Vorteil, daß Anlage, Bau und
Erbreiterung aller Straßen mit Ausnahme der
Staatsstraßen in den leichten Formen des Ge-
setzes von 1836 erfolgen kann. Dies hat besondere
Bedeutung für die erleichterten Formen bei der
Voruntersuchung, dem Erbreiterungsbeschluß und
der kleinen Jury im Fall der Enteignung. Der
Beschluß des Bezirkspräsidenten, der die Not-
wendigkeit und den öffentlichen Nutzen der An-
lage feststellt und die Breite einer bestehenden
Vizinalstraße festsetzt, bewirkt, daß der nicht be-
baute Grund und Boden innerhalb der festge-
setzten Grenze endgültig aus dem Eigentum des
bisherigen Eigentümers ausscheidet und letzterer
nur einen Entschädigungsanspruch behält, über
den, falls gütliche Einigung nicht erfolgt, von
dem Amtsrichter nach dem Gutachten von Sach-
verständigen entschieden wird. Bei Inanspruch-
nahme von bebautem Grund und Boden, sowie
bei Neuanlage oder Verlegung von Vizinalstraßen
ist bei Nichteinigung Zwangsenteignung erforder-
lich, wobei die Entschädigung durch vier Ge-
schworene festgesetzt wird, die das Landgericht
aus der Urliste der Enteignungsgeschworenen aus-
wählt. Ein vom Landgericht bestimmter Richter
führt den Vorsitz.
Die gewöhnlichen Vizinalwege werden vom
Bezirkspräsidenten auf Antrag der Gemeinderäte
nach Voruntersuchung klassiert und deklassiert.
II. Verwaltung und Unterhaltung.
1. Die gewöhnlichen Vizinalwege stehen
unter der Verwaltung der Gemeinden, welchen
die WMeister als Sachverständige und technische
Aufsichtspersonen für diese Wege zur Seite
stehen.
2. Die Vizinalstraßen. Die Kosten
für die Vizinalstraßen sind an sich von den Ge-
meinden zu tragen. Zur Unterhaltung der
Straßen wurden durch Beschluß der Bezirkstage
die beteiligten Gemeinden nach Maßgabe ihres
Interesses an der Straße zu WVerbänden ver-
einigt, ohne Rücksicht auf die Begrenzung nach
einzelnen Kreisen. Im Unterelsaß und in Loth-
ringen sind jetzt zum Zweck gleichmäßiger Heran-
ziehung der Gemeinden zu den Kosten der Stra-
ßeenunterhaltung sämtliche Gemeinden jeden Krei-
ses zu Kreisstraßenverbänden zusammen ge-
schlossen. Der Kreisstraßenverband ist die
in Beziehung auf den Unterhalt der Kreisstraßen
zu einer finanziellen und verwaltungsrechtlichen
Einheit verbundene Gesamtheit der Gemeinden
eines Kreises (Juristische Zeitschrift für Elsaß-
Lothringen 30, 1905, S 363). Der Kreisstraßen-
verband ist keine juristische Person. Es können aber
die zu einem solchen zusammengeschlossenen Ge-
meinden nach ständiger Rechtsprechung des
Oberlandesgerichts klagen und verklagt werden.
Vertreten wird er durch den Bezirkspräsidenten.
Der Bezirkspräsident wird in den örtlichen
Angelegenheiten der Kreisstraßen durch den
Kreiedirektor vertreten (Kaiserlicher Rat v. 14.
O. 98).
In Wirklichkeit werden die Kosten für die Vi-
zinalstraßen nur zum geringsten Teil von den
Gemeinden aufgebracht, die 5 Zuschlagspfennige
zu zahlen und bei Neuanlage Zuschüsse zu be-
willigen haben. Außerdem sind sie zu Fronden-
leinungen in Gestalt von 3 Arbeitstagen — ent-
weder in Natur oder nach Wahl in Gelb — ver-
pflichtet, ven welchen ½ für die gewöhnlichen
Vizinalwege bestimmt sind.
Die Fronden bestehen teils in Spann= teils
in Handdiensten und sind von sämtlichen Zugtiere
haltenden bezw. arbeitsfähigen männlichen Ge-
meindeeinwohnern eines gewissen Alters vor-
behaltlich einiger engbegrenzter Ausnahmen zu
leisten. Doch kann der Pflichtige nach Wahl den
Geldwert der Leistungen zahlen. Die größeren
Städte haben den Betrag der Fronden auf die
Gemeindekasse übernommen. In Lothringen sind
die Frondeleistungen für die Kreisstraßen jetzt
ganz abgeschafft. Daselbst können für die gewöhn-
lichen VizinalW 2 und für die FeldW ausnahms-
weise 1 Frontag geleistet werden. Im Oberelsaß
werden Fronden nur auf Vizinal- und Feld W
geleistet. Die übrigen und zwar die Hauptmittel
zur Unterhaltung und zur Neuanlage von Wizinal-
straßen werden vom Bezirk mit einem Zuschuß
des Staates aufgebracht.
In Lothringen werden auf Kosten der Bezirke mit Bei-
hilse der Gemeinden allmählich sämtliche Gemeinden an
das große Straßennetz angeschlossen. Der Ausbau der An-
schlußkreisstraßen ist nahezu vollendet. Der Bezirk Geht bvazu
über, auch die größeren Annexen an das Straßennet anzu-
schließen. Im Elsaß werden zur besseren Berbindung der
Gemeinden wichtigere Bizinalwege allmählich als Bizinal-
straßen llassiert und dadurch der Berwaltung des Bezirks
unterstellt.
Zur Ausführung des Vizinalstraßen
von 1836 sind in den drei Leschwat Vi geeves
wegordnungen erlassen.
3. Die Verwaltung der Staats-, Be-
zirks= und Vizinalstraßen steht unter
der Leitung des Bezirkspräsidenten; ihm unter-
steht in jedem Kreis ein Kreisbauinspektor; die
Kreise sind in WMeisterbezirke eingeteilt. v Als
unterste Beamten sind für jede Straße eine An-
zahl Straßenwärter angestellt. Die Kreisbau-
inspektoren werden vom Statthalter, die W Meister
vom Min, die übrigen Beamten der WBauver-
waltung vom Bezirkspräsidenten ernannt. Die
Kosten cer Besoldung der Baubeamten werden
zum größeren Teil vom Land, zum klein
Vezar getragen. # *) Fren vom
iuee jedem Kreis besteht eine We
kommission, welcher die in dese *
wohnenden Mitglieder des Bezirkstags, die Kreis-
tagmitglieder und einige andere Personen ange-
hören, die aus Vertretern einzelner Gemeinden
bedeutender Industriezweige und anderer In-
teressengruppen bestehen und durch den Bezirks-
präsidenten ernannt werden. Diese Kommissionen
haben aber im wesentlichen nur eine gutachtende
Tätigkeit auszuüben. Die Entwicklung der Ver-
Hültnisse drangt- dazu, d Kreilen eine größere
edeutung im aßenwesen in Elsaß-Lothri
zu schaffen. nLothringen
und Ortegeaän.
f. Die Feldwege, die im Gegensa
Staatsstraßen, Vizinalstraßen unkgepfaß zu den
der Regel nicht chausseemäßig ausgebaut sind
dienen der Bewirtschaftung des in den Gemeinden
vorhandenen Grundbesitzes. Sie stehen im öffent-
lichen Eigentum der Gemeinden, wenn sie als öf-
sentliche W von der Gemeinde bezeichnet sind. Für
Ausbau und Projektierung können die Gemeinden
die Hilfe der Meliorationsbauinspektoren beanspru-