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Wohnungsaussicht
lagen zu einem bessernden Eingreifen zu schaffen
und auf die Beseitigung der festgestellten Miß-
stände hinzuwirken. Es soll auch in aufklärender
Weise dafür gesorgt werden, daß gute W nicht
durch die Art ihrer Benutzung herunterkommen
und das Verständnis für die zweckmäßige Be-
nutzung der W allgemein gefördert wird.
5 3. Gesetzgebung in den einzelnen deutschen
Staaten. Die Möglichkeit eines gesetzlichen Vor-
gehens von Reichs wegen #) ergibt sich aus
einer Erklärung des Staatssekretärs des Innern
in der Budgetkommission des RT vom 25. 1. 13:
es solle dem Reichstage ein Rahmengesetz zu-
gehen, falls nicht bis zum Herbst in Preußen
ein WGesetz vorgelegt sein sollte.
I. Preußen hat bisher davon abgesehen,
ein — für das ganze Land zu
anen.
1. Der durch den MinisterialErl v. 19. 3. 01
angekündigte Entw eines Preußischen WWesetzes
(1904) war Gegenstand eingehender Kritik.
Der Entwurf wollte (1. Teil) dem Mangel an geeigneten
Klein W abhelfen, insbesondere die Herstellung billiger
Klein W erleichtern und (2. Teil) die Benutzung ungeeigne-
ter W verhindern. Das WBedürfnis sollte auch bei der
Feststellung von Fluchtlinien in Betracht kommen. Der
Ortspolizeibehörde waren weitgehende Rechte bei der
Fluchtlinienfestsetzung zugedacht. Die Kleinwohnungen
sollten begünstigt werden können bei den Straßenkosten-
beiträgen, Wasserzins und den Gebühren für die Kanal-
benutzung. Auch war die Möglichkeit einer geringeren Heran-
ziehung zur Grundsteuer vorgesehen. Der Benutzung un-
geeigneter W sollte durch Pol Berordnung entgegengetreten
werden können. Jede Gemeinde mit mehr als 10 000 Ein-
wohnern sollte im Wege ver Pol Verordnung allgemeine
Vorschriften über die Benutzung der Gebäude (W Ordnungen)
erlassen. Der Gesetzentwurf enthielt Mindestauforderungen
für Miet W, für Schlafräume der Dienstboten und Gewerbe-
gehilfen und zur Aufnahme von Zimmermietern und Schlas-
gängern. In allen Gemeinden sollten Wöonspektoren im
Hauptamte angestellt und in Gemeinden mit 100 000 Ein-
wohnern oder mehr Wemter errichtet werden.
Dieser Entwurf vom Jahre 1904 gelangte
infolge des leidenschaftlichen Widerstandes der
Grundbesitzer und der Gemeinden nicht an den
Landtag.
Im Dezember 1913 ist einn euer Entwurf
eines Weesetzes dem Abgeordnetenhause vor-
gelegt worden (Drucksache Nr. 16 für 1914), der
schon Ende Januar 1913 der Oeffentlichkeit
übergeben war. Er ist im allgemeinen milder
1) Ein Wohnungsfürsorgesonds besteht im Etat des
Reichsamts des Innern seit 1001. Daraus waren bis 1914
im ganzen 41 Mill. Mk. als Hypothekendarlehen zu 3%
an gemeinnützige Baugenossenschaften bewilligt, und
8 Mill. Mk. zum Erwerb von Grund und Boden verwendet,
der zu Erbbaurecht an gemeinnützige Baugenossenschaften
ausgetan worden ist.
Durch R v. 10. 6. 14 (Rch-lI 219) wird der Reichs-
kanzler ermächtigt, zur Förderung der Herstellung ge-
eigneter Kleinwohnungen für Arbeiter und gering besoldete
Beamte des Reichs und der Militärverwaltungen für
Oypothekendarlehen, die von anderer Seite an gemein-
nützige Unternehmungen (Bauvereine, Baugenossenschaf-
ten, Baugesellschaften usw.) unter Ausschluß der Kündbar-
keit auf die Dauer von mindestens 10 Jahren gewährt
werden, Bürgschaften bis zum Gesamtbetrage von
25 Mill. Mk. zu übernehmen. (D. 5.)
abgefaßt. In beiden Entwürfen kehrt eine ße
Anzahl von Bestimmungen wieder. 1. Abschnitt:
Baugelände. Die Befugnisse der staat-
lichen Ortspolizeibehörde bei Festsetzung der
Baufluchtlinien werden aus sozialpolitischen Rück-
sichten verstärkt. Der Entwurf will auch das
Umlageverfahren nach dem Vorbilde der sog.
lex Adickes allgemein regeln. Der zweite Ab-
schnitt (Baupolizei) soll die Aufgaben der
Bauordnungen in dem Sinne erweitern, daß
eine gesundere und billigere Wohnweise möglich
ist. Im dritten Abschnitt (Beenutzung der
Gebäude) wird eine allgemeine Festsetzung
von Mindestansprüchen an die Wohn- und Schlaf-
räume im Interesse der Gesundheit und Sittlich-
keit vorgesehen, während der vierte Abschnitt
die Wohnungsaufsicht regelt, die zur
Durchführung der neuen Vorschriften für un-
entbehrlich gehalten wird.
Der Gesetzentwurf wurde nach der ersten Le-
sung im preußischen Landtag v. 17. 1. 14 einer
Kommission von 21 Mitgliedern überwiesen.
Die Kommission hat die schwere Aufgabe, eine
mittlere Linie für die im einzelnen sehr
weit auseinandergehenden Anschau-
ungen zu sinden.
Die Gemeinden haben Einsprache erhoben gegen
die Einschränkung des Selbstrerverntbaen gegen
wie sie durch die Ergänzung des Fluchtlinien-
gesetzes beabsichtigt ist. Es handelt sich haupt-
sächlich um §s 12 des Gesetzes, der den Gemeinden
das Bauverbot sichert. Dieses Verbot ist viel-
fach das einzige Mittel, mit dem die Gemeinden
sich Ersatz ihrer Straßenbaukosten von den An-
liegern sichern können. Vielleicht ist die Lösung
der Streitfrage dadurch möglich, daß das. W Gesesz
geirennt wird von der Frage einer grundlegenden
eform des Baufluchtliniengesetzes in Form eines
allgemeinen Bau= und Stadterweiterungsgesetzes.
Die Kritik wendet sich auch gegen die vielfachen
„Kann“-Vorschriften. Es sollen. vielmehr bindende
Vorschriften über den Inhalt der W Ordnung
erlassen werden. Diesen weitergehenden Forde-
rungen zur Sicherstellung einer wirklich durch-
greifenden und erfolgreichen Weufsicht und
Wflege wollen auch die preußischen Städte
entsprechen. Der preußische Städtetag hat in
dieser Richtung eine Reihe von Abänderungs-
vorschlägen gemacht. Gegen die Einführung der
WüAufsicht auf dem platten Lande wird gleich-
falls Einsprache erhoben. Das Gesetz wird
wenn sein Zustandekommen möglich sein soll, in
ausreichender Weise auf die verschiedenartigen
Verhältnisse zwischen Stadt und Land Rüchsicht
nehmen müssen. Allseitig wird anerkannt daß
der Entwurf der Regierung, wenn noch einige
Verbesserungen vorgenommen werden, einen
großen Fortschritt bedeutet. Es ist zu wünschen
daß Preußen in der Pflege der gewichtigen
Volteimteressen. Hin WGeee erhält, so daß es in
leser bedeutungsvollen Frage ni « Süd-
bentchlan zurücksteht. dras cht hinter Sud
1Schon jetzt können jedoch auf Grun
ALn (5 10 II 17) und des # 121 des Besede
über die allgemeine Landesverwaltung v. 30. 6. 83
auch im Gebiete der WPflege allgemeine Ver-
ordnungen erlassen werden, um namentlich durch
Zwangsmittel die Beseitigung ungesunder Zu-
stände herbeizuführen. Der Reg Präsident zu