Wohnungsaussicht
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Düsseldorf hat am 21. 11. 95 eine Pol Verordnung
über die Beschaffenheit und Benußung von W
erlassen, die anderen Regierungen als vorbildliche
Unterlage diente. Es sind Mindestanforderungen
in bezug auf die Zuführung von Licht und Luft,
den Zustand des Fußbodens, die Anlage der
Aborte und die Versorgung mit Wasser gestellt.
Ueberfüllt ist eine W, wenn nicht in den Schlaf-
räumen für jedes Kind unter 10 Jahren 5 und
für jede andere zur Haushaltung gehörige Person
10 Kubikmeter Luftraum vorhanden sind. In
aähnlicher Weise sind für die Städte Cöln, Arnsberg,
Lüneburg, Liegnitz, Oppeln Pol Verordnungen
erlassen. In Essen sind jetzt 3 Wnspektoren im
Hauptamte tätig. Auch die Tätigkeit der WKom-
missionen in Düsseldorf, Hannover, Breslau,
Elberfeld, Wiesbaden, Aachen und Duisburg ist
zu nennen. Die Organisation der WKommissio-
nen ist teilweise ehrenamtlich, doch wird die
Wusfsicht vielfach im Hauptamte durchgeführt.
Neu eingerichtet wurde die Wüufsicht in Krefeld,
Kiel, Stettin und Posen.
II. Auch in Bayern hat die Handhabung
der Wüufsicht erhebliche Fortschritte gemacht.
Es ist ein Zentralwohnungsinspektor für Bayern
ernannt. 1908 waren schon 33 WInspektoren in
29 Städten vorhanden. In München sind im
Hauptamte 5 Erhebungsbeamte tätig; desgleichen
je 1 Beamter in Kaiserslautern, Pirmasens, Hof,
Fürth, Würzburg und Augsburg. Außerdem
bestanden in nahezu 1000 Gemeinden WKom-
missionen. Das Min Inn hat in seinem Erl v.
12. 9. 07 die Gemeinden wiederholt auf die
Wüaufsicht verwiesen. Seit dem Jahre 1908 be-
steht, dem Vorbilde Hessens entsprechend, eine
öffentliche Kasse zur Förderung des Kleinwoh-
nungswesens. Im Falle die Gemeinde Bürg-
schaft leistet, kann ein Vorschuß zum Kleinwoh-
nungsbau gegeben werden sogar bis zu 100%
der Kosten vom Boden und Bauwert. Das
bayerische Gesetz gibt das Darlehen auch zur An-
siedelung landwirtschaftlicher Arbeiter. Weigert
sich eine Gemeinde, trotz vorhandenen Bedürf-
nisses nach Kleinwohnungen, das Darlehen auf-
zunehmen, so ist die Möglichkeit staatlichen
Zwanges gegeben.
III. In Sachsen ist es nach dem allgemeinen
Verwzecht zulässig, gegen gesundheitsschädliche
Zustände im WWesen einzuschreiten. Hervor-
zuheben ist die W Aufsicht in Leipzig, Dresden und
Chemnitz. Das Min hat in einer V v. 30. 9. 96
die Behandlung der WFrage in entschiedener
Weise empfohlen.
IV. In Württemberg wurde am 4. 7. 98
dem PolStrafgesetzbuch eine geänderte Fassung
gegeben, als erforderliche Handhabe zur Aus-
übung der WInspektion. Es können hiernach
die Hauseigentümer oder deren Stellvertreter,
Arbeitgeber und Dienstherrn bestraft werden,
wenn aie den im Interesse der W Pflege getroffe-
nen polizeilichen Anordnungen, insbesondere der
Aufforderung zur Räumung nicht nachkommen.
Diese Vorschriften boten keine Gewähr für die
Einrichtung einer Wüufsicht, auch erscheint die
Verbindung mit der PolBehörde wohl nicht be-
sonders geeignet. Durch V'g des Min Inn v.
18. 5. 07 ist die Wüufsicht auf alle Gemeinden
ausgedehnt worden.
v. Stengel- Fleischmann, Wörterbuch. 2. Aufl. III.
V. Die am 1. 11. 07 für das Großherzogtum
Baden erlassene Landesbauordnung hat auch
Vorschriften über die Benutzung der Wohn= und
Schlafräume und die Regelung der Wussicht
getroffen. Im Wege ortspolizeilicher Vorschrift
kann die Benutzung der W und die Anzeigepflicht
der Inhaber geregelt werden. Als Mindestfor-
derungen sind 10 Kubikmeter Luftraum für jede
Person, in Schlafräumen 3 ½ Quadratmeter Bo-
denfläche zu nennen, auch das Verlangen beson-
derer Schlafräume für die über 12 Jahre alten
Kinder. In allen Gemeinden über 10 000 Ein-
wohner sind fortlaufend Wüntersuchungen vor-
zunehmen. In kleineren Gemeinden bestimmt
er Bezirksrat ob und innerhalb welcher Zeit
allgemeine Wüntersuchungen stattzufinden haben.
VI. In Hessen hat man in der Erkenntnis
der hohen Bedeutung der WFrage für das Le-
ben der Einzelnen und der Gesamtheit von jeher
der WFürsorge eine besondere Aufmerksamkeit
gewidmet. Trotzdem die ackerbautreibende Be-
völkerung entschieden überwiegt und nur in ver-
hältnismäßig wenigen Kreisen die Entwicklung
der Industrie eine zahlreiche Arbeiterbevölkerung
auf einem engen Raume vereinigt hat, trat schon
im Jahre 1890 das Bestreben hervor, eine staatliche
WFürsorge zu schaffen. Die wenigen, nur ver-
einzelte Ausnahmefälle betreffenden Bestimmun-
gen des a 80 der hessischen Kr O und des a 56
der St O wurden nicht für ausreichend erachtet,
um die in gewissen lokalen Distrikten vorhandene
allgemein ungünstige Lage der WVerhält-
nisse besser zu gestalten und sie insbesondere
einer dauernden Aufsicht unterwerfen zu können.
Diese Vorschriften geben den Behörden nur das
Recht, gefahrdrohende oder rechts= oder ordnungs-
widrige Zustände zu beseitigen und die Erfüllung
solcher Verbindlichkeiten des öffentlichen
Rechts zu erzwingen. Dieser Erkenntnis,
welche demnächst zur Schaffung des Gesetzes
die polizeiliche Beaufsichtigung der Mietwoh-
nungen und Schlasstellen v. 1. 7. 93 führte, stellten
sich jedoch bei ihrer Ausführung um so mehr
Schwierigkeiten entgegen, als die heute noch in
deutschen Landesrechten bestehenden Bestim-
mungen nicht als Vorbild für eine zwar praktisch
und gut wirkende, jedoch nicht zu äußersten An-
forderungen schreitende Gesetzgebung angesehen
werden konnte.
Angeregt durch gutachtliche Aeußerungen des da-
maligen Oberbürgermeisters von Frankfurt a. M.
Miquel in Berichten des Vereins für Sozial-
politik hat die hessische Gesetzgebung zunächst,
neben der gesetzlichen Festlegung des Unter-
suchungsrechts der Mietwohnungen, eine obliga-
torische Anzeigepflicht für kleine, nicht unter-
kellerte und sonst nicht günstig gelegene W ein-
geführt und hinsichtlich der Schlafstellen W ein
polizeiliches Entscheidungsrecht über die Be-
nutzung und die Qualität von zukünftigen Wiin
neu zu erbauenden Häusern geschaffen. Ferner
wurde neben strafrechtlichen Vorschriften eine
Verpflichtung der staatlichen Gesundheitsbeam-
ten zur Erteilung sachverständigen Rates bei Be-
stimmung des Luftraumes von Miet= und Schlaf-
räumen und Schlasstellen, sowie aller sonstigen
Anforderungen für diese Räume festgesetzt. Das
Gesetz, das auch die Schaffung örtlicher WIn-
spektionen nach Ziffer 4 und 5 der Anw zum
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