Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
Ziehkinder 
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entgeltliche Verpflegung von Kindern unter sieben 
Jahren untersagen. Zuwiderhandlungen werden 
mit Geldstrafe bis zu 50 Mk. oder mit Haft bis 
zu acht Tagen bestraft. Nach § 24 DAnw für 
Bezirtsärzte ist der Bezirksarzt zur Mitwirkung 
bei Ueberwachung der Pflegekinder berufen (vgl. 
Keller-Klumker S 1237). 
Eine bessere Regelung ist in Vorbereitung. a 2 des 
Entw eines Gesetzes betr. die Berufsvormundschaft bringt 
eine Abänderung des 1 98 a Pol St GB. Es ist sehr charak. 
teristisch, daß diese Neuregelung innerhalb eines Gesetzes 
über die Berufsvormundschaft erfolgt. Der Entwurf schlägt 
vor, daß das Erfordernis des Entgelts bei unehelichen Kin- 
dern wegsallen und die Ueberwachung allgemein bis zur 
Scha#lentlassung zulässig sein soll. Ferner soll die Ueber- 
wachung der Pflegeeltern und Pflegekinder einem von der 
Gemeinde zu stellenden Beamten übertragen werden kön- 
neu. Schließlich soll die Bestimmung, wonach Personen, die 
ihnen angehörige oder anvertraute Kinder verwahrlosen 
lassen, die entgeltliche Verpflegung von Kindern unter 
sieben Jahren untersagt werden kann, dahin erweitert 
werden, daß die Altersgrenze auf die Erreichung des 21. 
Lebensjahres hinaufgesetzt wird. Bei Abschluß des vorlie- 
genden Artikels (Frühjahr 1914) befindet sich dieser Ent- 
wurf in der Justiz= und Verwpommission der Zweiten 
Kammer, nachdem die Erste Kammer ihn mit einigen un- 
wesentlichen Abänderungen in der Fassung der Regierungs- 
vorlage angenommen hat. 
§#8. In Elsaß-Lothringen gilt immer noch das 
französische Dekret betr. die Findelkinder oder 
verlassenen Kinder und die armen Waisen vom 
19. 1. 1811. (Das Gesetz in deutscher Uebertragung 
bei Keller-Klumker S 1260.) In bezug auf das 
Z. Wesen sind in den drei Bezirken des Landes 
neue Verordnungen (nebst Ausführungsvorschrif- 
ten) erlassen worden, die wenig voneinander 
abweichen: Im Bezirk Oberelsaß am 30. 9. 05, 
im Bezirk Lothringen am 24. 7. 08 und im Be- 
zirk Unterelsaß am 26. 6. 09. Hiernach sind Z. 
alle Kinder unter vierzehn Jahren, die 
zur Pflege und Erziehung gegen Vergütung bei 
einer dritten, sremden oder verwandten Person 
aufgenommen sind, sei es im Auftrage der Eltern, 
der Mutter, des Vormunds, einer öffentlichen 
Behörde oder sonstiger Personen, welche die Für- 
sorge übernommen haben. Zur Annahme solcher 
Kinder bedarf es einer schriftlichen, jederzeit 
widerruflichen Erlaubnis des Kreisdirektors, in 
Straßburg des Pol Präsidenten. Bei Kindern, 
die von bestimmten öffentlichen Anstalten in 
Pflege untergebracht worden sind, findet die Vor- 
schrift keine Anwendung. Bei ehelichen Kindern, 
die ohne Verfolgung von Erwerbszwecken im 
Auftrage von Angehörigen oder des Vormunds 
sowie bei Kindern, die von Wohltätigkeitsanstalten 
oder Vereinen oder in deren erweislichem Auf- 
trage aufgezogen werden, kann von den Vor- 
schriften ganz oder teilweise Befreiung gewährt 
werden (vgl. Keller-Klumker S 1263 ff). 
§* 9. Hamburg und Bremen. 
I. Bemerkenswert ist die Regelung in Ham- 
burg, das ja überhaupt einen vortrefflichen Kin- 
derschutz hat, der in der Behörde für öffentliche 
Jugendfürsorge gipfelt (G betr. die Beaufsichti- 
gung des Kostkinderwesens v. 1. 3. 10). Zunächst ist 
die Altersgrenze bis zum vollendetenachten Le- 
bensjahre bemessen. „Wer ein solches Kind in Kost 
und Pflege nimmt oder bei Inkrafttreten dieses 
Gesetzes ein solches Kind in Kost und Pflege 
  
hat, bedarf, wenn die Verpflegung gegen Ent- 
gelt erfolgt, oder wenn er gewerbs= oder ge- 
wohnheitsmäßig Kinder in Kost nimmt, oder 
wenn das Kind unehelich ist und außerhalb der 
mütterlichen Familie verpflegt wird, zur Ein- 
gehung bezw. Fortsetzung des Kostverhältnisses 
einer obrigkeitlichen Erlaubnis.“ 
Es bedarf also nicht nur die Verpflegung gegen 
Entgelt einer Erlaubnis, sondern auch das gewerbs- 
oder gewohnheitsmäßige Annehmen der Kinder 
in Kost. Ist aber das Kind unehelich und wird 
es nicht in der mütterlichen Familie verpflegt, 
so ist garnicht einmal eine Gewerbs= oder Ge- 
wohnheitsmäßigkeit notwendig. Alle diese Kost- 
kinder werden regelmäßig beaufsichtigt. Bedeut- 
sam ist nun, daß nicht etwa die Polizei diese Be- 
aufsichtigung vornimmt, sondern die Behörde 
für öffentliche Jugendfürsorge durch deren Di- 
rektor. In diese Beaufsichtigung fallen auch 
diejenigen unehelichen Kinder, die in der mütter- 
lichen Familie verpflegt werden. Die Polizei- 
behörde tritt nur insofern in Tätigkeit. als sie 
auf Ersuchen des Direktors der öffentlichen 
Jugendfürsorge diesem die erforderliche Unter- 
stützung bei Ausübung der ihm gesetzmäßig zu- 
stehenden Obliegenheiten, insbesondere bei der 
Anstellung von Ermittlungen und bei der Aus- 
führung der von ihm getroffenen Verfügungen 
zu gewähren hat. Hier wird es sich aber natürlich 
immer nur um Ausnahmefälle handeln. Zu- 
widerhandlungen gegen die Bestimmungen des 
Gesetzes werden mit Geldstrafe von einer Mark 
bis zu hundert Mark, eventuell mit Haft bestraft. 
Die Vorschriften des Gesetzes kommen nach 
& Znicht zur Anwendung bei Kostkin- 
dern, für die von der öffentlichen Armenpflege 
gesorgt wird, für die staatliche Wohltätigkeits- 
anstalten oder die anerkannten Religionsgemein- 
schaften sorgen. Auch auf eheliche Kinder findet 
es keine Anwendung, die bei ihren Vormündern 
oder ihren nächsten Verwandten (Großeltern, 
Geschwister der Eltern und deren Chegatten) 
untergebracht sind. Privatstiftungen und Privat- 
vereine können für ihre Z. den Dispens er- 
halten, der aber jederzeit zurückgenommen wer- 
den kann. 
II. Noch erheblich weiter als Hamburg geht 
Bremen, das in der V v. 19. 1. 13, „betr. 
die Aufsicht über die Pflegekinder und über die 
in der mütterlichen Familie erzogenen und ver- 
pflegten unehelichen Kinder in der Stadt Bremen 
und im Landgebiet“ die Annahme von Z. bis 
zu vierzehn Jahren von einer jederzeit 
widerruflichen Erlaubnis abhängig macht, die 
vom Jugendamte schriftlich erteilt wird. Die 
Erlaubnis ist auch erforderlich, wenn ein noch 
nicht schulpflichtiges Kind unter Beschränkung 
auf die Tagesstunden, aber über die Mittagszeit 
hinaus in Kost und Pflege genommen werden 
soll. Die Altersgrenze von vierzehn Jahren 
bestand bereits in der Pflegekinder B# v. 13. 
3. 09. Ob die Z. gegen Entgelt verpflegt 
werden oder nicht, macht für die Notwendigkeit 
einer Erlaubnis keinen Unterschied. Dagegen 
kann bei Kindern, die unentgeltlich verpflegt 
werden, von der dauernden Beaufsichtigung — 
die das Jugendamt gu leisten hat — Ab- 
stand genommen werden. Das Gleiche gilt bei 
Kindern, die von Vereinen oder Stiftungen
	        
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