thumbs: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Erster Band. Vom Staatsseketariat bis zur Marokko-Krise. (1)

Bülow 
definitiv 
ernannt 
170 DIE ABWEISUNG DER BADISCHEN HERRSCHAFTEN 
noch dazu nicht weit von Karlsruhe weilte, ohne sich mit dem großherzog- 
lichen Paar zu begegnen, war dem Großherzog Friedrich und der Groß- 
herzogin Luise gleich unerträglich. Dazu kam die Verwandtschaft zwischen 
beiden Höfen. Nachdem einige leise und vorsichtige Sondierungen des 
Karlsruher Hofes bei dem Hof in Darmstadt erfolglos geblieben waren, 
beschlossen die badischen Herrschaften, direkt nach Darmstadt zu fahren, 
wo sie sich am Abend vor ihrer Abreise anmeldeten. Auf diese Anmeldung 
erfolgte in zwölfter Stunde aus Darmstadt die Antwort, der Zar habe schon 
über die Tage bis zu seiner Abreise von Darmstadt verfügt und könne die 
großherzoglichen Herrschaften nicht empfangen. Das verkündete der Hof- 
bericht der „Karlsruher Zeitung‘ am nächsten Tage der erstaunten Welt. 
In Deutschland war man über diese Abweisung des edlen Fürstenpaars sitt- 
lich entrüstet und an und für sich gewiß mit Recht. Kaiser Nikolaus aber 
äußerte in Darmstadt, es sei unerträglich, daß er nicht nach Deutschland 
kommen könne, „sans &tre embötc“. 
Während ich an der Seite des Kaisers in Wiesbaden weilte, erfolgte am 
20. Oktober 1897 meine Ernennung zum Staatsminister und Staatssekretär 
des Äußern. Mein Nachfolger in Rom wurde der bisherige Botschafter in 
Konstantinopel, von Saurma, an dessen Stelle in Konstantinopel Freiherr 
Marschall von Biberstein trat, der dort ein weites Feld für seine große 
Arbeitskraft und seinen nicht minder großen Ehrgeiz finden sollte. Zu 
meiner endgültigen Ernennung zum Staatssekretär des Äußern schrieb 
mir der damalige Botschafter in Madrid, Herr von Radowitz, der mich 
vierundzwanzig Jahre früher in Berlin in die Geschäfte eingeführt hatte 
und unter dem ich siebzehn Jahre vorher an der Pariser Botschaft tätig 
war: „Ich kann es in Ihre Seelen hinein verstehen, wie ungern Sie und 
Ihre Frau den Wechsel zwischen Rom und Berlin vollzogen haben. Aber 
gerade darum sind wir Ihnen alle Dank schuldig, daß Sie das Opfer Ihres 
persönlichen Woblbefindens nicht gescheut haben, um die Last und die 
Verantwortung der Berliner Aufgabe zu übernehmen. Vor vierundzwanzig 
Jahren, im Spätherbst 1873, kam ich aus Varzin nach Berlin zurück mit 
dem Endbericht an den Kaiser über die Ernennung Ihres Herrn Vaters 
zum Staatssekretär. Am 8. Oktober übernahm er die Geschäfte, über die 
ich ihm in den ersten Tagen Vortrag zu halten hatte. Am 15. Oktober kam 
dann auch der Kanzler, und als er mit Ihrem Vater die erste Besprechung 
gehabt hatte, sagte er mir: ‚Herr von Bülow sitzt ja schon in allem so fest, 
als sci er seit zchn Jahren Staatssekretär.‘ Jetzt, wo Sie nach einem Vier- 
teljabrhundert der Nachfolger Ihres unvergeßlichen Vaters werden, wird 
auch die Erinnerung an die Zeit lebendig, mit der sein Name verknüpft 
bleibt und deren Tradition, dessen bin ich sicher, in Ihren Händen fest 
gewahrt ist. Die Verhältnisse, die Menschen, die Aufgaben haben sich
	        
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