— 122 —
63. Rundschreiben des Unterrichts-Ministerium vom 19. April 1875,
betr. Impfsachen.
Die Aemter werden hierdurch veranlaßt, die Lehrer der Domanial-
schulen auf 8 1 Nr. 2, § 7 „8 13 und § 15 des Impfgesetzes vom 8.
April 1874 und auf § 1, 9. 5, § 6, S z Abs. 1 und 8 15 der Aus-
führungsverordnung vom 24. März 1875 aufmerksam zu machen. Es
wird dazu bemerkt, daß an den mehrklassigen Schulen jeder Lehrer für
seine Klasse die im Allgemeinen den „Schulvorstehern“ auferlegten Ver-
pflichtungen zu übernehmen hat.
64. Nundschreiben des Unterrichts-Ministerium vom 29. April 1874,
betr. Teilnahme katholischer Kinder am Religionsunterricht. Dauer
ihrer Schulpflicht.
Nachdem das unterzeichnete Ministerium die unter dem 2. Februar
d. J. erforderten Berichte, betreffend katholische Kinder 2c., vernommen,
wird Ihnen hierdurch Folgendes mitgeteilt:
Die katholischen Kinder können nicht zur Teilnahme an dem evan-
gelisch-lutherischen Religionsunterrichte oder zur Teilnahme an dem Lesen
konfessionell lutherischer Lesestücke angehalten werden, haben dagegen un-
bedingt und unbeschränkt teilzunehmen am Unterricht im Rechnen und
Schreiben, und am Lesen in der Fibel, sowie an den etwa den Realien
gewidmeten Stunden. Geht das Lesen über die Fibel hinaus, so wird
für diese Kinder ein Lesebuch benutzt werden müssen, welches auch Stoff
zu Gedächtnisübungen bietet. Ist an einer von katholischen Kindern be-
suchten Schule ein Lesebuch bereits in Gebrauch, und eignet sich dasselbe
als teilweise entschieden konfessionell nicht in seinem ganzen Umfange zur
Benutzung von Seiten dieser Kinder, so ist aus den Lesestücken eine passende
Auswahl zu treffen. Da jedoch ein solches Buch den katholischen Kindern
nicht hingegeben werden kann, so können auch die Eltern zum Ankauf
desselben nicht genötigt werden, und es wird sich daher der Prediger mit
der Gutsherrschaft in Vernehmen zu setzen haben, ob dieselbe bereit ist,
eine Anzahl von Eremplaren anzukaufen, oder ob für die katholischen
Kinder ein nicht konfessionelles Lesebuch benutzt werden soll.
Die Schulpflicht der katholischen Kinder dauert bis zu den Ostern,
wo sie den bestehenden gesetzlichen Bestimmungen gemäß konfirmiert werden
würden, wenn sie der lutherischen Kirche angehörten. Haben sie jedoch
zu diesem Termin im Lesen, Schreiben und Rechnen den für die Ent-
lassung erforderlichen Grad der Ausbildung nicht erreicht, so sind sie
jedenfalls noch ein Jahr in der Schule zurückzuhalten. Natürlich findet
dies keine Anwendung auf diejenigen Kinder, welche erst so kurze Zeit im
Lande sich aufhalten, daß sie, einer anderen Nationalität angehörig, die
deutsche Sprache noch nicht haben erlernen können.
Für die Erteilung von Diensterlaubnisscheinen normiert die Verord-
nung vom 5. Februar 1869 unter Wegfall der Bestimmung sub d des § 8.
Das Vorstehende wollen Sie zur Kenntnis der Prediger Ihrer
Diözese bringen.
(Vgl. Nr. 65. 83. 92. 127.)