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der Kantor zur Leitung des Gesanges in sämtlichen Gottesdiensten ver—
pflichtet; er hat zu diesem Zweck einen Sängerchor aus den Schülern zu bilden.
Tritt auch in dem ersten Abschnitt der Ribnitzer Schulordnung die
nahe Verbindung der Schule mit der Kirche insofern hervor, als zur
Schule die zur Stadtkirche Eingepfarrten gehören und als vorzugsweise
die geistlichen Mitglieder des Schulvorstandes berufen sind, Schulversäum—
nissen vorzubeugen, so kann doch nach dem Zusammenhang der Bestimm—
ungen der Schulordnung die im 8 24 unter Strafe gestellte Schul-
versäumnis nur als die in den vorhergehenden Paragraphen behandelte
Versäumnis des eigentlichen Schulunterrichts, des Unterrichts in der
Klasse, verstanden werden, und es fehlt in der Schulordnung selbst an
jedem Anhalt dafür, daß derselben Strafandrohung auch die Versäumung
der an einer ganz entfernten Stelle der Schulordnung, nicht direkt ange—
ordneten, aber allerdings vorausgesetzten Pflicht der Teilnahme der Schul-
knaben am kirchlichen Sängerchor unterliegen soll. Die Sache liegt in
Ansehung dieser Pflicht zum Chorsingen nicht anders, als in An-
sehung der in der Schulordnung ebenfalls vorausgesetzten und mit der
Schulpflicht zusammenhängenden Pflicht der größeren Schulkinder zum
Besuch des sonntäglichen Gottesdienstes mit ihren Lehrern: die Ribnitzer
Schulordnung unterstellt die Versäumung des Chorsingens so wenig wie
die Versäumung des Gottesdienstes unter die von ihr in §24 aufgestellte
Strafandrohung gegen Schulversäumnisse.
Aus diesen Gründen ist der Angeklagte unter Aufhebung des
schöffengerichtlichen und des Berufungsurteils freigesprochen.
Die Kosten des Verfahrens sind „demgemäß der Staatskasse auf—
erlegt; auch ist es nach 8 499 Absatz 2 der StPO. für angemessen er—
achtet, dem Angeklagten für alle drei Instanzen den Ersatz der ihm er-
wachsenen notwendigen Auslagen aus der Staatskasse zuzubilligen.
112. Verordnung vom 19. März 1901, betr. die Beeidigung der an
Großherzoglichen Schulen und Lehranstalten angestellten Lehrer
und Direktoren bezw. Rektoren und Konrektoren.
Wir verordnen wegen Beeidigung der an den Großherzoglichen
Schulen und Lehranstalten angestellten Lehrer und Direktoren bezw.
Rektoren und Konrektoren hierdurch, was folgt:
Den in der Anlage 4 vorgeschriebenen Diensteid haben in Zukunft.
vor der Einführung in das verliehene Amt körperlich abzuleisten und
schriftlich zu vollziehen:
die Direktoren und die Lehrer an den Großberzoglichen
Gymnasien und Realgymnasien;
. die Direktoren und die Lehrer an den Seminaren zu Neu—
kloster und Lübtheen;
3. die Direktoren, Inspektoren und die Lehrer an der Blinden—
anstalt zu Neukloster und an der Taubstummenanstalt zu
Ludwigslust;
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