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getroffen und Gefahr für Leben und Gesundheit des Kindes herbeigeführt
wurden; so sei auch ein heftiger Stockschlag über das Ohr zu vermeiden
gewesen und lediglich durch ein unvorsichtiges Verhalten des Angeklagten
veranlaßt, etwaige Bewegungen des gezüchtigten Knaben könnten den
Angeklagten keineswegs entlasten, sie verpflichteten ihn vielmehr zu um
so größerer Aufmerksamkeit bei der Vollziehung der Züchtigung. Das
Landgericht hat demgemäß den Angeklagten eines Vergehens gegen § 230
Abs. 2 des St. G. B. für schuldig befunden.
Die Revision des Angeklagten führt aus, zum Begriff der Fahr-
lässigkeit gehöre, daß der Angeklagte dasjenige Maß von Aufmerksamkeit
und von Rücksicht auf das Allgemeinwohl außer Acht gelassen habe, dessen
Beobachtung von ihm billigerweise oder vernünftigerweise gefordert werden
dürfe. Das angefochtene Urteil beruht aber nicht auf einer Verkennung
dieses Rechtsbegriffes. Die tatsächlichen Ausführungen, mit denen das
Urteil die Vermeidbarkeit des eingetretenen Erfolges im Einzelnen be-
gründet, unterliegen als solche der Beurteilung des Revisionsgerichts nicht.
Aus allgemeinen Erwägungen ergibt sich aber, daß bei Anwendung des
Maßes von Aufmerksamkeit und Vorsicht, welches von einem Lehrer bei
der Ausführung von Züchtigungen billigerweise und vernünftigerweise
zu verlangen ist, vermieden werden kann und vermieden werden muß, daß
ein Schlag, der den Rücken treffen soll, das Ohr trifft, falls nicht be-
sondere Umstände diesen ungewollten Erfolg herbeiführten. Solche be-
sonderen Umstände waren von dem Angeklagten, der nichts davon wissen will,
daß der Schlag auf das Ohr von ihm herrühre, nicht behauptet; der
bloße Hinweis auf die Möglichkeit, daß die Verletzung am Ohre auf ein
von seinem Willen und seiner Voraussicht unabhängiges und zufälliges
Ereignis, vielleicht auf ein eigenes Verschulden des Knaben zurückzu-
führen sei und weder durch Festhalten noch durch andere Mittel mit
Sicherheit hätte vermieden werden können, ist mangels Angabe konkreter
Tatsachen, welche eine andere Beurteilung rechtfertigen könnten, zur Ent-
lastung des Angeklagten nicht geeignet.
H. Nachtrag.
399. Bekanntmachung des Ministerium des Innern und des Unterrichts
vom 22. September 1913, betr. Befreinng von Lehrern und
Lehrerinnen von der Angestelltenversicherung.
Der Bundesrat hat auf Grund des § 14 Nr. 1,2 des Ver-
sicherungsgesetzes für Angestellte und auf Grund des Gesetzes über die
Angestelltenversicherung der Privatlehrer beschlossen:
Die §§ 9, 10 Nr. 1, 88 11 bis 13 des Versicherungsgesetzes für
Angestellte gelten mit Wirkung vom 1. Januar 1913 ab für:
1. Lehrer und Erzieher, die an nicht öffentlichen Schulen oder
Anstalten beschäftigt sind oder privaten Einzelunterricht er-