Full text: Das Staats- und Verwaltungsrecht des Herzogtums Braunschweig.

182 B. Verwaltungsrecht. 
8) Jüdische Glaubensgenossen. 
Die Beseitigung der Rechtsungleichheit der Juden im 
öffentlichen wie im Privatrechte war im Herzogtum 
schon bei Erlaß des Landesgrundgesetzes durch den 
Landtagsabschied von 1832 vorbereitet und 1848! durch- 
geführt, längst ehe das Reichsgesetz vom 3. Juli 1869 die 
Gleichberechtigung allgemein anerkannte. Auch der Über- 
tritt aus der jüdischen in eine christliche Religions- 
senossenschaft und umgekehrt ist ebenso wie der Aus>- 
tritt durch das Dissidentengesetz? in zeitgemäßer Weise 
geregelt. Von kirchlichen Abgaben (Parochialsteuern) für 
die Landeskirchengemeinde sind die Juden in den Städten 
allgemein befreit, in den Landgemeinden”, soweit es sich 
um Besteuerung nicht vom Grundbesitz, sondern vom 
Einkommen handelt. 
Wie die Landesverfassung die jüdische Religions- 
gemeinschaft als eine der im Staate gestatteten kirch- 
lichen Gesellschaften mit umfaßt, deren Öffentliches Be- 
kenntnis jedem Einwohner völlig freisteht, so genossen 
auch die an den einzelnen Orten des Herzogtums be- 
stehenden jüdischen Gemeinden insoweit staatlichen Schutz, 
als ıhnen vielfach auf Grund ihrer genehmigten Satzungen 
Korporationsrechte zugestanden sind. Eine Neuord- 
nung ist kürzlich erfolgt*: auf Antrag der an einem 
Orte des Herzogtums bestehenden jüdischen Gemeinde 
kann ihr von der Landesregierung die Eigenschaft einer 
öffentlich-rechtlichen Körperschaft mitder Wir- 
kung beigelegt werden, daß ihr zwangsweise alle Per- 
sonen jüdischen Bekenntnisses angehören, die in ihrem 
Bezirk wohnen oder sich länger als drei Monate auf- 
halten. Mit dem Antrage sind Satzungen zur Ge- 
nehmigung vorzulegen, die über die Verfassung und Ver- 
waltung, den Haushaltplan und die Erhebung einer Ein- 
kommensteuer das Nötige enthalten. Bei Ausdehnung 
einer jüdischen Gemeinde über mehrere Ortschaften be- 
sorgt die Aufsichtsbehörde (Kreisdirektion) die Verteilung 
und die Einziehung durch die Gemeindebehörden. 
  
! Nr. 27 und 23 vom 23. Mai 1848. 
? Nr. 62 vom 25. März 1873; vgl. S. 183. 
® Gesetz Nr. 30 vom 18. Juni 1864 $ 4, Nr. 30 vom 
26. Juni 1892 8 2 Abs. 1. 
* Gesetz Nr. 23 vom 1. April 1908.
	        
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