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„Majestät, wir bitten, unseren Ort zum Kurort ernennen zu
wollen.“
Und die guten Leute waren glücklich, als der König die „Ernennung“
auf der Stelle vollzog.
120. Noch ein Bürgermeisterwunsch.
Als den König bei der Neuordnung der Gerichtsverfassung im
Jahre 1879 der Bürgermeister einer ansehnlichen sächsischen Mittelstadt,
die trotz aller Bemühungen kein Amtsgericht bekommen sollte, gelegentlich
bat, er möge doch seinen Einfluß für die Erfüllung des Wunsches geltend
machen, da hörte ihn der König, die Hände auf den Rücken gelegt,
behaglich an, dann drehte er sich rasch auf dem Absatz herum und sagte
lächelnd: „Ach, mein lieber Bürgermeister, Sie halten mich für viel
mächtiger, als ich bin.“
121. Der unfreiwillige König.
Vor einigen Jahren bereiste der König Albert sein Land. Wie
stets auf den größeren Reisen, hatte er außer seinen Kavalieren auch
einen seiner Ärzte bei sich. Dieser war nicht nur wegen seiner außer—
ordentlichen Tüchtigkeit, sondern auch wegen seines liebenswürdigen, un-
gezwungenen Wesens sehr beliebt bei Hofe. Auf der Tour in die Berge
wurde geritten, was dem des Reitens ziemlich unkundigen Doktor höchst
unsympathisch war. Es half aber nichts, der hohe Herr befahl, und
er hatte zu gehorchen. Anfangs ging alles ganz gut, als man sich aber
dem Bestimmungsorte, einem kleinen hochgelegenen Dorfe näherte, hatte
das mutige Roß des Arztes nichts Besseres zu tun, als mit seinem
Reiter in rascher Gangart abzugehen. Stracks ging es an Sr. Maojestät
vorbei. Entsetzt sprengte ein Herr des Gefolges dem eiligen Reiter
nach, ihm zurufend: „Doktor, Doktor, was machen Sie denn? Hinter
Sr. Majestät bleiben!“ Der Unglückliche hatte aber keine Wahl, un-
aufhaltsam raste er davon. Als die braven Dorfbewohner den Pferde-
kopf auftauchen sahen, glaubten sie nicht anders, als ihr geliebter
Landesherr küme. Schleunigst wurde der Begrüßungsapparat in Be-
wegung gesetzt, die Böller gelöst, die Schulkinder postiert und ein
Hymnus angestimmt. Mützen flogen in die Luft, Fahnen wehten, und