— 101 —
126. König Albert und die Weber von Meerane.
Als der König Albert einmal die Weberstadt Meerane besuchte,
nahm er auch eine der dortigen großen mechanischen Webereien in
Augenschein. Als nun der Monarch in den größten Arbeitssaal eintrat,
waren sämtliche daselbst aufgestellten Webestühle, welche bekanntlich ein
entsetzliches, nur für sehr gesunde Nerven ertragbares Getöse verursachen,
in vollem Gange. Der König war überrascht — da, mit einem Ruck
standen alle Webstühle still, und die daran beschäftigten Mädchen und
Frauen stimmten alsbald die Königshymne an. Es bereitete dieser jähe
Übergang von Arbeitsgetöse und Lärm zu harmonischer Feiertagsstimmung
dem hohen Besucher große Freude, wie er es auch zu dem Fabrikanten
selbst äußerte. Er war überhaupt in Meerane ganz erstaunt darüber,
daß die Arbeiterbevölkerung, wo er sich auch sehen ließ, immer in hellen
Jubel ausbrach. Sie hatte nämlich erst kurz vorher sozialdemokratisch
gewählt. Der König sprach bei der Tafel dem Bürgermeister gegen-
über dies aus und erbat sich eine Erklärung dieser beiden doch eigentlich
nicht recht zusammenpassenden Tatsachen, wenn er sie geben könne. Der
Bürgermeister erwiderte, daß nach seiner Erfahrung die Königstreue der
ganzen sächsischen Arbeiterschaft außer allem Zweifel sei, die sozial-
demokratische Wahl sei nur die Frucht der künstlichen Aufregung, in
welche die Arbeiter durch Berufsagitatoren bei Wahlen immer hinein-
gehetzt zu werden pflegten. Da sagte König Albert nachdenklich und mit
feinem Lächeln: „So, so! Also — Berufsarbeit!“
127. König Albert und der Schützenhauptmann.
Bei Gelegenheit eines Königsbesuches in einem erzgebirgischen
Städtchen hatte sich auch die Schützengilde auf dem Marktplatze auf-
gestellt und bildete eine Kette, um das andrängende Publikum abzuhalten.
Da trat König Albert ganz unerwartet und unvermutet aus dem Amts-
gericht heraus und wollte zu Fuß quer über den Markt in das Gasthaus
„Stadt Wien“ schreiten. ·
Kaum hatte der Kommandant der Schützengilde den Landesherrn
erblickt, als er seinen untergebenen Schützen, die in zwangloser Unter—
haltung dastanden und das Gewehr bei Fuß genommen hatten, schnell
zurief: „Präsentiert das Gewehr!“ Dem Befehl ward auch, so gut es