Full text: Grundriß des Staatsrechts des Königreichs Sachsen.

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christlichen Kirche. Zu dieser Annahme paßt dann aber der 
Wortlaut schlecht und es entstehen neue Schwierigkeiten. Der 
Abs. 2 kam erst durch den Antrag der II. Kammer in das Gesetz 
und dieser scheint in der That ganz allgemein gemeint gewesen 
zu sein. Der Inhalt des Abs. 2 ist ein doppelter: 
einmal wird bestimmt, daß über die religiöse Erziehung der 
Kinder bis zum 14. Lebensjahr im Mangel der Vereinbarung 
der Eltern der Vater entscheidet während uneheliche Kinder der 
Religion der Mutter folgen. Diese Sätze wurden als dem § 1802 
des BG.s entsprechend bezeichnet; § 1802 aber sagt ganz all- 
gemein: „Bei einer Meinungsverschiedenheit der Eltern über die 
Erziehung ihrer (ehelichen) Kinder entscheidet der Vater.“ Man 
wird also nicht umhin können, die obigen Sätze des Abs. 2 von 
8 20 gleichfalls als ganz allgemein anzusehen. Sie nehmen 
Geltung in Anspruch auch für gemischte Ehen zwischen Evange- 
lischen und Katholischen oder zwischen Eltern verschiedener Con- 
fession überhaupt oder zwischen Eltern, von denen der eine Theil 
einer Confession angehört, der andere nicht. Es tritt aber ferner 
an die Stelle der väterlichen Confession, wie sie bei gemischten 
Ehen zwischen Evangelischen und Katholischen früher im Zweifel 
für die Kinder zutraf, der Wille des Vaters, und zwar in dem 
Sinne des § 1802 des BGB.'s. Als Resultat ergiebt sich hier- 
aus: über die religiöse Erziehung ehelicher Kinder können die 
Eltern bis zum 14. Lebensjahre der Kinder durch Vereinbarung 
entscheiden; beim Mangel einer solchen Vereinbarung entscheidet 
der Vater; der Vater entscheidet also überhaupt; denn es hängt 
von ihm ab, ob er sich auf eine Vereinbarung mit der Mutter 
einlassen will; hat er dies aber gethan, so ist er durch diese Ver- 
einbarung gebunden bis zu etwaiger neuer Vereinbarung, die bis 
zum 14. Jahr des Kindes überhaupt zulässig ist. Entscheidend 
ist lediglich der Wille der Eltern bezw. des Vaters; auf ihre 
eigene Confession kommt es gar nicht an; selbst wenn sie derselben 
Confession angehören oder beide confessionslos sind, können sie 
bezw. kann der Vater das Kind in einer andern Confession bezw. 
in einer Confession erziehen; und wenn sie verschiedenen Con- 
fessionen angehören, können sie das Kind in einer dritten Con- 
fession erziehen; auch haben sie endlich das Recht, ihr Kind, ohne
	        
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