§ 23. Die Zusammensetzung der Ständeversammlung. 91
forderlich ist derselbe bei dem Eintritt in die Versammlung, für gewählte Mitglieder auch
zur Zeit der Wahl ¹).
2. Der Genuß der bürgerlichen Ehrenrechte. Nach § 135 Z. 2
darf nämlich ein Ständemitglied „weder in eine Kriminaluntersuchung verflochten, noch
durch gerichtliches Erkenntniß zur Dienstenthebung, zur Festungsstrafe mit Zwang zu
öffentlichen Arbeiten oder angemessener Beschäftigung, oder zu Zuchthaus verurtheilt worden
oder wegen eines angeschuldigten Verbrechens blos von der Instanz entbunden sein“. In
Folge der wiederholten Aenderung der Straf- und Prozeßgesetze seit 1819 gilt in dieser
Beziehung jetzt Folgendes. Ausgeschlossen sind dermalen:
a) Diejenigen, welche vor Einführung des Reichs-Straf-Gesetz-
Buchs nach dem früheren württemberg. Rechte zu einer Zuchthaus-, Arbeits-
haus- oder Festungsstrafe oder zum bleibenden Verluste der bürgerlichen Ehren-
und Dienstrechte verurtheilt worden sind, soweit nicht eine Wiedereinsetzung in
diese Rechte nach Maßgabe des Art. 18 des Ges. vom 13. Aug. 1849, des
Art. 13 des E.-G. vom 26. Dez. 1871, Art. 7 und 15 des A.G. vom 24. Jan.
1879 stattgefunden hat;
b) Diejenigen, welchen durch rechtskräftiges Urtheil auf Grund des Reichs-
Straf-Gesetz-Buches (§§ 32—37) die bürgerlichen Ehrenrechte ab-
erkannt sind, während der Zeit, für welche die Entziehung derselben erfolgt ist,
so daß nach Ablauf dieser Zeit ein durch Geburt berufenes Mitglied der Ersten
Kammer seine Mitgliedschaft wieder ausüben kann, für andere Staatsbürger
aber die Fähigkeit, in die Ständekammer gewählt oder ernannt zu werden, wieder
beginnt.
Die Wiedereinsetzung in die staatbürgerlichen Rechte in Folge der Ausübung
des Begnadigungsrechts hebt die Unfähigkeit sowohl im Falle a. als b. auf,
da auf Grund derselben der Vollbesitz der bürgerlichen Ehrenrechte wieder
eintritt ²).
c) Diejenigen, welche in Kriminaluntersuchung verflochten sind, jedoch
nur sofern mit der Eröffnung des Hauptverfahrens von der Strafkammer des
Landgerichts die zeitliche Entziehung der staats- und gemeindebürgerlichen Wahl-
und Wäblbarkeitsrechte deshalb ausgesprochen worden ist, weil nach dem Er-
messen derselben als wahrscheinlich anzunehmen, daß die Verurtheilung eine Ent-
ziehung jener Rechte zur Folge haben werde. Art. 4 des A.G. zur St. Pr.O.
vom 4. März 1879. Gegen diese Entscheidung der Strafkammer findet eine
Beschwerde nicht statt ³).
3. Es darf kein Konkurs gegen das Mitglied der Ständekammer gerichtlich
eröffnet sein und selbst nach geendigtem Konkursverfahren dauert die Unfähigkeit fort,
wenn es wegen Vermögenszerrüttung gestraft worden ist; V. U. § 135 Z. 3. Ent-
scheidend ist jetzt die wirkliche Eröffnung des Konkurses nach Maßgabe des § 100 der
K.O., welche sofort die Unfähigkeit zur Folge hat, da die Beschwerde ohne Suspensiv-
effekt ist. Die Unfähigkeit endet mit Aufhebung des Eröffnungsbeschlusses, sowie mit
1) Vgl. auch Art. 21 des Wahlges. v. 26. März 1868. Dies gilt auch für landesfremde
Deutsche, s. Laband I 172; a. M. Hänel, St. R. 1 592ff.
2) Die Frage war nach der früheren Strafgesetzgebung vor 1839 sehr controvers; s. hierüber
Mohl, 1 S. 565.
3) Ob durch die Eröffnung des Hauptverfahrens die Fähigkeit nur suspendirt wird, oder ob
sofortige Unfähigkeit eintritt, ist bestritten; s. Mohl, 1 S. 562 und Bitzer a. a. O. S. 163.
Die Worte „zeitliche Entziehung“ sprechen für die letztere Alternative.