100 Vierter Abschnitt: Die Organisation des Staates. II. Die Ständeversammlung. § 27.
10 Uhr Vormittags und wird um 6 Uhr Nachmittags geschlossen. Sie wird damit eröffnet, daß
der Wahlvorsteher den Protokollführer und die Beisitzer mittelst Handschlags an Eidesstatt ver-
pflichtet und so die Distriktswahlkommission konstituirt. Während der Wahlhandlung müssen jeder-
zeit mindestens drei Mitglieder dieser Kommission anwesend sein. Der Wahlvorsteher und Pro-
tokollführer dürfen sich während der Wahlhandlung nicht gleichzeitig entfernen.
Zur Wahl zugelassen wird nur, wer in der Wählerliste eingetragen ist ¹). Jeder Wähler
übergibt in eigener Person im Wahllokale seines Abstimmungsdistriktes den Stimmzettel dem
Wahlvorsteher oder dessen Vertreter, welcher denselben in die Wahlurne legt und den abstimmenden
Wähler in der Wählerliste bemerken läßt.
Die Stimmzettel müssen von weißem Papier und dürfen mit keinem äußeren Kennzeichen
versehen sein; jeder Stimmzettel muß so zusammengefaltet sein, daß der auf ihm verzeichnete
Namen verdeckt ist. Stimmzettel, bei welchen hiergegen verstoßen ist, hat der Wahlvorsteher zu-
rückzuweisen ²). Die Distriktswahlkommission entscheidet über sich ergebende Anstände. Nach Ablauf
der Abstimmungszeit erklärt der Wahlvorsteher die Abstimmung für geschlossen; von diesem Zeit-
punkte an dürfen keine Stimmzettel mehr angenommen werden.
Sofort nach dem Schlusse der Abstimmung erfolgt die Zählung der Stimmen durch
die Distriktswahlkommission, welche hierbei ganz in Uebereinstimmung mit den §§ 17, 18, 19 des
Reichswahlreglements verfährt. Nur wird abweichend von letzterem bei der Stimmenzählung
keine Rücksicht darauf genommen, ob ein Gewählter wählbar ist ³). Ueber die Giltigkeit der Stimm-
zettel entscheidet mit Vorbehalt der Prüfung durch die Kammer der Abgeordneten die Distrikts-
wahlkommission nach Stimmenmehrheit der anwesenden Mitglieder; bei Stimmengleichheit ist die
betreffende Stimme als giltig zu zählen. Mit den Stimmzetteln, über deren Giltigkeit es einer
Beschlußfassung bedurft hat, wird, wie nach § 20, Abs. 1 des Reichswahlreglements verfahren.
Die übrigen Stimmzettel hat der Wahlvorsteher in einem versiegelten Packete so lange aufzube-
wahren, bis der Gewählte in der Kammer der Abgeordneten für legitimirt erklärt ist.
Während der ganzen Wahlhandlung einschließlich des zuletzt genannten Aktes steht jedem
Wähler der Zutritt zu dem Wahllokale offen, es dürfen jedoch daselbst außer den Berathungen
und Beschlüssen der Distriktswahlkommission, welche durch die Leitung des Wahlgeschäftes bedingt
sind, weder Berathungen stattfinden, noch Ansprachen gehalten, noch Beschlüsse gefaßt werden.
Ueber die Wahlhandlung ist ganz wie bei den Reichstagswahlen ein Protokoll aufzunehmen, welches
mit sämmtlichen zugehörigen Schriftstücken von dem Wahlvorsteher ungesäumt, jedenfalls so zeitig,
wohl versiegelt, an das Bezirksamt einzusenden ist, daß es demselben spätestens im Laufe des auf
den Wahltag folgenden Tages zukommt.
Zur Handhabung der Ordnung während des Wahlgeschäftes steht der Distriktswahlkom-
mission eine Strafgewalt bis zu 12 Mark oder 2 Tagen Haft zu. Doch findet gegen die Straf-
verfügung sofortige Beschwerde an das Oberamt nach § 353 der St. Pr. O. statt. Die Haftstrafe
kann zur Aufrechterhaltung der Ordnung bis zur Dauer von 24 Stunden sofort vollzogen
werden.
6. Zur Ermittelung des Wahlergebnisses beruft das Oberamt spätestens auf
den dritten Tag nach dem Wahltermine in ein von ihm zu bestimmendes Lokal und unter Zu-
ziehung eines Protokollführers die Oberamtswahlkommission; von dieser wird dann ganz wie
nach § 27 des Reichswahlreglements verfahren. Der Zutritt zu dem Lokale steht jedem
Wähler offen.
Ist eine engere Wahl erforderlich (s. o. S. 98), so findet dieselbe genau zehn Tage
nach Veröffentlichung der bezirksamtlichen Wahlanordnung statt und wird auf Grund derselben
Wählerlisten, nach denselben Abstimmungsbezirken und bei gleicher Besetzung der Wahlkommissionen
wie die erste Wahl vorgenommen.
Bei der Ausstellung der Wahlurkunde ist nach Art. 20 des Wahlgesetzes von 1868 zu
verfahren. Gleichzeitig mit der Ausfolge der Wahlurkunde an den Gewählten hat der Wahl-
kommissär ein Duplikat derselben an das Ministerium des Innern einzusenden. Der Gewählte
kann die Wahl ablehnen. Ist er mehrfach gewählt, so hat er sich zu erklären, welches Mandat
er annehmen will. Eine Deliberationsfrist besteht nicht. Im Falle der Annahme der Wahl hat
der Gewählte die ihm ausgefolgte Wahlurkunde sofort zu seiner Legitimation an den ständischen
Ausschuß, bei versammeltem Landtage an die Abgeordnetenkammer einzusenden. Ueber die so-
1) Jeder Anfechtung der Wählerliste ist nach Ablauf der unter Nr. 4 bezeichneten Frist aus-
geschlossen.
2) Die Verschließung des Wahlzettels in einem gestempelten Umschlag (Wahlges. v. 1868) ist
durch die Novelle vom 16. Juni 1882 auf Antrag der Abgeordnetenkammer wieder beseitigt worden,
obgleich sich das Institut durchaus erprobt hatte — angeblich wegen der Conformität mit dem
Reichswahlgesetze.
3) Art. 18, Abs. 4 des Wahlges. v. 1868. Bei einer Stichwahl ist daher auch ein nicht
wählbarer Kandidat zuzulassen. Erst wenn er hier die Mehrheit erlangt hat, unterliegt die Wahl-
fähigkeit der Prüfung durch die Abg.-Kammer; S. 102.