Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.2. Das Staatsrecht des Königreichs Württemberg. (2)

§§ 28, 29. Die Wahl der ritterschaftlichen Abgeordneten und des Domkapitels. 101 
fortige Anordnung einer Neuwahl im Falle der Unfähigkeit des Gewählten oder der Nichtannahme 
des Mandats s. S. 103. 
Die Kosten der Wahlen trägt die Staatskasse; nur den Aufwand für die Anfertigung 
der örtlichen Wählerlisten und für die Ausrüstung des Wahllokales haben die Gemeinden zu tragen ¹). 
§ 28. Die Wahl der ritterschaftlichen Abgeordneten. Die 13 Mitglieder des ritter- 
schaftlichen Adels werden von den immatrikulirten Besitzern oder Mitbesitzern der Ritter- 
güter aus sämmtlichen Mitgliedern der ritterschaftlichen Familien nach den vier Kreisen 
des Königreichs gewählt und zwar vier im Donaukreise, drei in jedem der übrigen Kreise; 
V. U. §§ 133, 136. 
1. Wahlberechtigt sind alle Besitzer oder Theilhaber eines in die Matrikel 
über die ritterschaftlichen Familien und die Rittergüter des Landes eingetragenen Gutes, 
sollte der Antheil auch noch so unbedeutend sein. Die Matrikel wird von der Adels- 
matrikelkommission des Ministeriums des Innern geführt. Außerdem müssen die allge- 
meinen Erfordernisse des aktiven Wahlrechts (s. oben §§ 25 u. 26 II) vorliegen. Wer in 
mehreren Kreisen als Rittergutsbesitzer besteuert wird, kann in jedem derselben das Wahl- 
recht ausüben. 
2. Wählbar ist jedes Mitglied einer immatrikulirten ritterschaftlichen Familie, 
welches die nothwendigen gesetzlichen Eigenschaften aller Ständemitglieder und eines ge- 
wählten Abgeordneten insbesondere (s. oben §§ 25 u. 26 I) besitzt. Antheil an Familien- 
gütern ist nicht erforderlich. Die Familienangehörigkeit bestimmt sich nach den Grundsätzen 
des deutschen Adelsrechts und etwaiger autonomer Normen. 
3. Die Wahlhandlung selbst erfolgt in den Kreisstädten unter Leitung des 
Regierungspräsidenten mit Zuziehung zweier Mitglieder der Ritterschaft, welche von den 
anwesenden Stimmberechtigten aus ihrer Mitte durch Stimmzettel mit relativer Stimmen- 
mehrheit gewählt werden. Der Vorstand der Kreisregierung hat die Wählerliste auf 
Grund eines Verzeichnisses der ritterschaftlichen Familien und der stimmberechtigten Ritter- 
gutsbesitzer, welches von der Adelsmatrikelkommission gefertigt und von dem Ministerium 
des Innern bei der Ausschreibung einer allgemeinen Neuwahl veröffentlicht wird, festzu- 
stellen und etwaige Reklamationen Einzelner an die Kreisregierung zur vorläufigen Ent- 
scheidung zu bringen. Er hat den Wahltermin mindestens acht Tage zuvor bekannt zu 
machen; außerdem erläßt er auf Grund der Wählerliste besondere Ladungen an die Wahl- 
berechtigten. 
Für die Wahl sind die oben § 26 III dargestellten Grundsätze maßgebend, es gilt 
also geheime Stimmgebung und entscheidet die absolute Mehrheit der abgegebenen Stimmen. 
Enthält ein Stimmzettel mehr Kandidaten, als der Kreis Abgeordnete zu wählen hat, so 
werden die überschießenden gestrichen. Das Wahlprotokoll wird von einem Expeditor 
der Kreisregierung geführt und von dem Vorstande und den zwei Mitgliedern unter- 
zeichnet ²). 
§ 29. Die Wahl des Abgeordneten des Domkapitels. Diese wird in dem für 
die Wahl der Abgeordneten der Städte und Oberamtsbezirke bestimmten Termin unter 
Leitung eines von dem Könige aus der Mitte des Domkapitels oder aus der Zahl 
anderer Geistlichen oder Beamten zu bestellenden Wahlkommissärs durch Stimmzettel nach 
der absoluten Stimmenmehrheit vorgenommen; es gilt hier ganz das zu § 26 I— III Aus- 
geführte. 
 
1) Vgl. das Wahl-Ges. vom 26. März 1868, die Novelle vom 16. Juni 1882 u. die M.V. 
vom 20. April 1868 u. 6. Nov. 1882. 
2) Vgl. V. U. § 136, Ges. (A) v. 26. März 1868 Art. 5, 8, 12, Instr. v. 12. Dez. 1819 
u. v. 15. Nov. 1831; M.V. v. 9. Nov. 1876 u. v. 15. Nov. 1882 Z. 14.
	        
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