106 Vierter Abschnitt: Die Organisation des Staates. II. Die Ständeversammlung. § 32.
ständische Ausschuß nach § 190 der V. U. „auf die Zeit von einem ordentlichen Landtage
zum anderen (auf drei Jahre) gewählt wird.“
II. Eine Eröffnung des Landtags findet statt, wenn die Stände nach vorangegangenen
Neuwahlen oder nachdem die frühere Versammlung entlassen war, einberufen werden. Die-
selbe erfolgt, sobald die zur Beschlußfähigkeit einer Kammer hinreichende Zahl von Mit-
gliedern legitimirt ist, durch den König oder durch einen von diesem besonders damit
beauftragten Minister in einem Zusammentritt beider Kammern (V. U. § 186) ¹). Die
Thätigkeit eines einmal eröffneten Landtags dauert so lange, bis derselbe durch Königl.
Befehl vertagt oder geschlossen wird. Der Landtag selbst kann seine Funktion nur in
soweit aussetzen, als er die nächste Sitzung auf einige Tage hinausschiebt, während welcher
Zeit dann die Stände als versammelt gelten und die Mitglieder ihre Diäten fortbeziehen.
III. Die Vertagung ist der in einem Reseript an die Stände ausgesprochene Befehl
des Königs, die Sitzungen auf unbestimmte Zeit oder aber bis zu einem im Voraus be-
stimmten Tage zu unterbrechen. Dieselbe hat zur Folge, daß zwar die Sitzungen aus-
gesetzt, die Geschäfte aber nach dem Wiederzusammentritt der Stände in der Lage, in
welcher sie sich bei der Vertagung befanden, wieder ausgenommen werden. Mit Genehmigung
der Regierung kann auch der Ausschuß ermächtigt werden, während der Vertagung Kom-
missionen der einzelnen Kammern zur Vorberathung von Vorlagen der Regierung oder
der ihnen von der Kammer bereits zugewiesenen Gegenstände einzuberufen, wie auch mit
Genehmigung der Regierung die bei der Vertagung in Thätigkeit befindlichen Kommissionen
ihre Arbeit fortsetzen können. Während der Vertagung hört der Diätenbezug der Ab-
geordneten auf, der ständische Ausschuß tritt in Wirksamkeit. War die Unterbrechung
auf unbestimmte Zeit erfolgt, so findet der Wiederzusammentritt auf Grund Königl. V.O.
statt, während bei einer Vertagung auf bestimmte Zeit mit Ablauf derselben die Stände-
versammlung ohne neue Einberufung ihre frühere Thätigkeit fortsetzt. Die Vertagung
kann in derselben Session mehrmals erfolgen und hängt ganz vom Ermessen der Regierung
nach Lage der Geschäfte 2c. ab.
IV. Die Entlassung der Stände erfolgt — im Gegensatze zur Vertagung — nicht
durch einfaches Reseript, sondern wie die Eröffnung durch den König in eigener Person
oder durch einen dazu bevollmächtigten Minister (V.U. § 186) in einer gemeinschaftlichen
Sitzung beider Kammern. Mit der Entlassung hört jede fernere Thätigkeit des Landtags
auf. Die begonnenen Geschäfte werden abgebrochen. Wird später ein neuer Landtag, sei
es in derselben Wahlperiode oder nach einer Neuwahl einberufen, so hängt es von der
Regierung ab, ob sie die früher eingebrachten Gesetzentwürfe ꝛc. wieder einbringen will
oder nicht, wie die Wiederaufnahme der aus der Mitte der Versammlung hervorgegangenen
Anträge, die Benützung begonnener Arbeiten von dem Ermessen der neuen Versammlung
abhängt. Die Kommissionen und die Sekretäre sind neu zu wählen (V. U. § 164 Abs. 7).
Die Entlassung (Schließung) kann nur stattfinden, wenn die Stände versammelt sind.
Sie steht ganz im Ermessen der Regierung. Mit der Schließung tritt der ständische Aus-
schuß bis zur Eröffnung des neuen Landtags in Wirksamkeit; derselbe wird bei der Ent-
lassung eines ordentlichen Landtags neugewählt, während bei der Schließung eines außer-
ordentlichen Landtags der frühere Ausschuß wieder in Thätigkeit tritt (V.U. § 192).
V. Die Auflösung der Ständeversammlung steht dem Könige unbeschränkt zu, also
auch wenn die Stände nicht versammelt sind?) (V. U. § 186). Die Vorschrift der V. U.
1) Bei dem Eröffnungsakte, zu welchem sich der König in den Saal der Abg.Kammer
begibt, wird die Thronrede dem Könige durch einen Minister zum Vorlesen überreicht; die sofortige
Prankwortung durch eine Rede des Präsidenten der Ersten Kammer ist seit dem Jahre 1877 weg-
gefallen.
2) A. A. Mohl, I S. 606; s. auch Bitzer, S. 117 f., woselbst sich ein Auszug der über