126 Viert. Abschn.: Die Organisation d. Staates. III. Centralorgane d. Staatsregierung ꝛc. 837.
wendigen Reform führten, da die Instruktion der Bevollmächtigten im Bundesrathe rasche Ent-
schließungen durch ein verantwortliches Gesammtministerium erfordert. So kam es zu dem Gesetz
vom 1. Juli 1876, betreffend die Bildung eines Staatsministeriums, durch welches die politische
Stellung des Geheimen Raths als Berather der Krone und Vermittler des Verkehrs zwischen König
und Ständen in der Hauptsache beseitigt wurde. Ein nachfolgendes Gesetz über die Verwaltungs-
rechtspflege vom 16. Dez. 1876 übertrug dann die Funktionen des Geheimen Raths als entscheidende
und verfügende Behörde im Sinne des § 60 Z. 1 und 2 der V. U. dem neu organisirten Verwal-
tungsgerichtshofe, während für die Entlassung von Beamten im Disziplinarwege (§§ 47 und 48 der
V. U.) durch das Beamtengesetz vom 28. Juni 1876, durch das Volksschullehrergesetz v. 30. Dez. 1877,
Art. 38 ff. und durch die Gemeindeverw.Novelle v. 31. Mai 1891 Art. 56 ff. besondere Disziplinar-
höfe und für die Entscheidung der Kompetenzkonflikte durch das Gesetz vom 25. August 1879 ein
Kompetenzgerichtshof eingesetzt, auch durch das Ges. über die Zwangsenteignung v. 20. Dez. 1888 die
Entscheidung über die Nothwendigkeit der Zwangsenteignung dem Geh. Rath entzogen wurde.
Hierdurch ist die Stellung des Geheimen Raths als oberste berathende und entscheidende
Behörde — über den Ministern — beseitigt, und sind demselben nur noch wenige Ueberreste
seiner früheren Funktionen verblieben. Es ist jetzt ein politisch bedeutungsloses Institut ¹).
I. Das Staatsministerium.
§ 37. 1. Das Staatsministerium ist die oberste und unmittelbar unter dem
Könige stehende, seiner wesentlichen Bestimmung nach zur unmittelbaren Berathung des
Staatsoberhaupts berufene Behörde. Sein Geschäftskreis umfaßt:
a) die Berathung aller allgemeinen Angelegenheiten, namentlich solcher,
welche auf die Staatsverfassung, die Organisation der Behörden und die Ab-
änderung der Territorialeintheilung, auf die Staatsverwaltung im Allgemeinen
und die Normen derselben oder auf die allgemeinen Verhältnisse des Staates
zu den Religionsgesellschaften sich beziehen, wie auch der Gegenstände der Gesetz-
gebung und allgemeinen Verordnung, soweit es sich von deren Erlassung, Ab-
änderung oder authentischen Erklärung handelt, ferner aller wichtigeren Ver-
hältnisse zu anderen Staaten. Alle dem Könige vorzulegenden Vorschläge der
Minister in solchen Angelegenheiten müssen in dem Staatsministerium zur
Berathung vorgetragen und mit dessen Gutachten begleitet an den König ge-
bracht werden.
b) Die Berathung aller ständischen Angelegenheiten;
J) die Berathung aller Angelegenheiten, welche die Beziehungen zum Deutschen
Reiche betreffen;
d) die Berathung des Staatsoberhaupts bezüglich der Zulässigkeit der Zwangs-
enteignung (Enteig. Ges. v. 20. Dez. 1888, Art. 1.)
e) alle diejenigen Gegenstände, welche demselben von dem Könige zur Berathung
besonders aufgetragen werden ²);
1) Derselbe könnte nur wieder Bedeutung erlangen, wenn in Folge der Succession eines
katholischen Regenten die landesherrlichen Episkopalrechte über die evangelische Kirche auf ihn über-
tragen würden.
2) Wenn auch Württemberg bis jetzt, ungeachtet der seit der Gründung des Reiches außer-
ordentlich verminderten Bedeutung der einzelnen Ministerien, abweichend in dieser Beziehung von
Baden und Hessen, sämmtliche sechs Ministerien in der alten Weise beibehalten hat, so sind doch
durch die Einsetzung des Staatsministeriums die Ressortminister gegenüber dem Präsidenten des
letzteren mehr und mehr in ihrer Stellung herabgedrückt worden. Die Anwendung der Bestimmung
unter Lit, e. gewährt das Mittel, durch Ausdehnung der Funktion des Staatsministeriums diesen
Prozeß zu beschleunigen. Die Angabe der jeweilig dem Staatsministerium noch weiter zur Berathung
überlassenen Gegenstände hat daher nur thatsächliches, kein rechtliches Interesse.