§ 39. Der Verwaltungsgerichtshof und die Verwaltungsrechtspflege. 129
achtung der reichsgesetzlichen Vorschrift über das Verhältniß der richterlichen zu den nicht-
richterlichen Beamten.
Bezüglich des Geschäftskreises ist zu unterscheiden:
1. Der positive Kompetenzkonflikt — wegen Unzulässigkeit des Rechts-
weges oder wegen Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichts — kann von der obersten
Verwaltungsbehörde bzw. von dem Berwaltungsgerichtshofe er-
hoben werden; im ersteren Falle setzt derselbe voraus, daß der Gegenstand bei dem bürger-
lichen oder bei dem Verwaltungsgerichte, im letzteren, daß der Gegenstand bei dem bürger-
lichen und bei dem Verwaltungsgerichte bereits anhängig geworden ist. Die Erhebung
des Konflikts ist ausgeschlossen, wenn das bürgerliche Gericht sich bereits durch rechts-
kräftiges oder durch ein nur noch der Revision unterliegendes Urtheil für die Zulässig-
keit des Rechtsweges ausgesprochen hat. Steht in diesem Falle mit dem rechtskräftigen
Urtheil des bürgerlichen Gerichts ein rechtskräftiges Erkenntniß des Verwaltungsgerichts
in derselben Sache im Widerspruche, so unterliegt das letztere der Restitutionsklage.
Ebenso kann, wenn der Verwaltungsgerichtshof, ohne vorgängige Erhebung des
Konflikts seitens der Verwaltung, die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte rechtskräftig
festgestellt hat, von der Verwaltungsbehörde der Konflikt nicht mehr erhoben werden. Die
Erhebung des positiven Konflikts hat die Einstellung des Verfahrens zur Folge. Das
Nähere hierüber findet sich in dem angef. Ges. Art. 7— 11.
2. Den sog. negativen Kompetenzkonflikt können nur die Parteien
erheben und zwar, wenn in Beziehung auf denselben Gegenstand ein bürgerliches und
ein Verwaltungsgericht ihre Unzuständigkeit erklärt haben, wofern eine Abänderung der
Entscheidung im Wege des Einspruchs oder eines Rechtsmittels nicht mehr möglich ist.
Derselbe ist jedoch ausgeschlossen, wenn das Reichsgericht entschieden hat, oder wenn das
Urtheil auch nur mit dem Rechtsmittel der Revision anfechtbar ist oder war ¹).
Die Entscheidung erfolgt bei beiden Arten des Konflikts auf Grund münd-
licher Verhandlung in öffentlicher Sitzung. Der Gerichtshof hat sich hierbei auf den Aus-
spruch zu beschränken, ob in dem vorliegenden Falle der Rechtsweg zulässig oder das Ver-
waltungsgericht oder die Verwaltung zuständig ist. Eine Aufhebung der entgegenstehenden
Entscheidung steht hiernach dem Kompetenzgerichtshof auch bei dem negativen Kompetenz-
konflikte nicht zu ²). Dagegen erfolgt die Entscheidung des Kompetenzgerichtshofes end-
giltig und mit verbindlicher Kraft für die Gerichte und für die Verwaltung.
Auf das Verfahren vor diesem Gerichtshofe finden im Uebrigen die Vorschriften
über das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten (Ges. v. 16. Dezbr. 1876 Art. 21, 32
Abs. 3, 34—39, 42) Anwendung ³).
§ 39. 2. Der Verwaltungsgerichtshof und die Verwaltungsrechtspflege ⁴). Eine
selbständige Verwaltungsrechtspflege besteht in Württemberg seit dem Gesetze vom 16. Dezbr.
1876 ⁵). Nach diesem Gesetze haben die Verwaltungsgerichte der Regel nach über alle
Streitigkeiten aus Rechtsverhältnissen zu entscheiden, welche auf dem Subjektionsverhältnisse
des Einzelnen zur Staatsgewalt oder zu einer Korporation beruhen, sofern die Ver-
1) So nach den Motiven, welche die Worte „anfechtbar ist“ in diesem Sinne auffassen.
2) In dem nachfolgenden Verfahren hat daher das Gericht bezw. die Verwaltungsbehörde
frei und im ordentlichen Instanzenzuge zu prüfen, ob dieselbe Sache vorliegt, die Entscheidung des
Kompetenzgerichtshofs also anwendbar ist oder nicht.
3) Vgl. auch Gaupp im Anh. zur 2. Aufl. der C. Pr. O. S. 18 ff., 104.
4) Vgl. Sarwey, Oeffentl. Recht und Verw.Rechtspfl. §§ 7—12, 14 ff.
5) Bis dahin hatte nach § 60 Z. 1 der V. U. der Geheime Rath über Rekurse gegen Ver-
fügungen der Departementsminister unter Zuziehung der Vorstände des Obertribunals zu ent-
scheiden. Vgl. hierüber die 1. Aufl. S. 77 N. 4.
Handbuch des Oeffentlichen Rechts III. 2. Aufl. Württemberg. 9