Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.2. Das Staatsrecht des Königreichs Württemberg. (2)

130 Viert. Abschn.: Die Organisation d. Staates. III. Centralorgane d. Staatsregierung ꝛc.  § 39. 
letzung subjektiver Rechte ¹) hiebei behauptet wird. Dabei werden in Beziehung auf das 
Verfahren unterschieden die reinen Parteistreitigkeiten und die Fälle der Ver- 
waltungsrechtsbeschwerde, je nachdem einem sein subjektives Recht verfolgenden 
Kläger ein sein Individualrecht auf Grund des öffentlichen Rechts vertheidigender Beklagter, 
oder aber eine das öffentliche Interesse des Staates oder einer Korporation vertretende 
öffentliche Behörde gegenübersteht. 
Als Verwaltungsgerichte entscheiden: 
1. mit Beschränkung auf die erste Instanz: 
a) die Kreisregierungen ²) in der Besetzung mit drei Mitgliedern, ein- 
schließlich des Vorstandes, in den in Art. 10 Nr. 1—25 des angef. Gesetzes, 
soweit es nicht neuestens abgeändert worden, sowie in einigen weiteren Gesetzen ³) 
speziell ausgeführten Fällen von Parteistreitigkeiten der vorbezeichneten Art, theils 
zwischen dem Staate und öffentlichen Korporationen, theils zwischen diesen unter 
sich, theils zwischen Einzelnen und öffentlichen Korporationen oder dem Staate. 
Die Kreisregierungen entscheiden hierbei im öffentlich mündlichen Verfahren; 
b) als besondere Verwaltungsgerichte: das Oberbergamt in den Fällen der 
Art. 8 Abs. 1, 51, 133 Abs. 1 des BergGes. v. 7. Okt. 1874, die Kom- 
mission für Aufhebung des Lehensverbandes in den Fällen des 
Art. 12 des Gesetzes v. 8. Okt. 1874, die Ablösungskommission bei 
Streitigkeiten über die Vollziehung der Ablösung nach Maßgabe der Ablösungs- 
gesetze ⁴). Diese Behörden entscheiden auf Grund schriftlicher Instruktion der 
Streitverhältnisse ⁵). 
2. An der Spitze der Verwaltungsrechtspflege im Lande steht der Verwaltungs- 
gerichtshof. Derselbe ist zusammengesetzt aus einem Präsidenten und der erforderlichen 
Zahl von Mitgliedern. Bis auf Weiteres werden zwei Mitglieder desselben aus der 
Zahl der Mitglieder des Geheimen Raths und zwei Mitglieder aus dem Oberlandes- 
gerichte für die Zeit der Bekleidung ihres Hauptamts, die Uebrigen lebenslänglich er- 
nannt. Der Vorstand und die Hälfte der Mitglieder müssen die Befähigung zum Richter- 
amte besitzen. Sämmtliche Mitglieder — mit Ausnahme derjenigen, welche aus dem 
Geheimen Rath entnommen sind ⁶) — stehen in Beziehung auf Versetzung, Pensionirung 
und Entfernung im Disziplinarwege unter den für richterliche Beamte geltenden Vor- 
schriften, so jedoch, daß die bei letzteren dem Oberlandesgerichte zukommenden Funktionen 
gegenüber den nicht zum Oberlandesgerichte gehörigen Mitgliedern von dem Verwaltungs- 
gerichtshofe ausgeübt werden ⁷). 
Der Verwaltungsgerichtshof verhandelt und beschließt: 
a) in erster Instanz: α. über Ansprüche, welche von einem nicht württ. 
Armenverbande gegen einen württemb. Armenverband auf Grund des R. G. 
über den Unterst. Wohns. v. 6. Juni 1870 erhoben werden; β. über Ansprüche 
württemb. Gemeinden gegen das Reich auf Grund des R.G. über die Kriegs- 
 
1) Vgl. über diesen Begriff: Jellinek, System der subj. öffentl. Rechte, Freib. 1892. 
2) S. über diese unten § 84; auch L. Gaupp C. Pr. O. Anh. S. 7ff. Die Bezirksämter haben 
keine Verwaltungsgerichtsbarkeit, können also auch nicht zur Sicherung des Beweises nach § 448 
Abs. 2 und 3 der C. Pr.O. angerufen werden. 
3) Gaupp g. a. O., Anh. S. 9 Z. 25 ff. 
4) S. auch hierüber Gaupp, a. a. O. S. 7 B I, vgl. m. A I 3ff. 
5) Weder die Kreisregierungen, noch die unter b. aufgeführten Verwaltungsgerichte stehen 
unter den Garantien des Richteramts, ihre Mitglieder find Verwaltungsbeamte. 
6) Diese können vom Könige nach eigener freier Entschließung entlassen werden (V. U. § 57). 
7) Ges. v. 16. Dez. 1876 Art. 3 u. 4.
	        
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