§ 41. Der Geheime Rath. 133
glieder müssen ein Richteramt, die übrigen Mitglieder ein Staatsamt bekleiden. Die
mündliche Verhandlung und Entscheidung der einzelnen Sache erfolgt durch sieben Mit-
glieder, von welchen der Vorsitzende und drei weitere Mitglieder dem Richterstand an-
gehören müssen. Sämmtliche Mitglieder werden vom König auf die Dauer des zur
Zeit der Ernennung von ihnen bekleideten Amtes ernannt.
Für richterliche Beamte fungirt der volle Rath des Oberlandesgerichts
als Disziplinarhof ¹). Derselbe verhandelt und entscheidet in der Besetzung von sieben
Mitgliedern einschließlich des Vorsitzenden, welcher aus der Zahl der Vorstände des Ober-
landesgerichts zu entnehmen ist. Der Vorsitzende, die Mitglieder und die Ersatzmänner,
sowie deren Reihenfolge, werden jährlich im Voraus durch den vollen Rath bestimmt ²).
Für die Mitglieder des Verwaltungsgerichtshofes, welche nicht dem
Richterstande oder dem Geheimen Rathe angehören (s. o. S. 130), bildet der Verwaltungs-
gerichtshof den Disziplinarhof ³).
Die Einleitung des Berfahrens vor dem Disziplinarhofe verfügt der vorgesetzte
Minister, bei Mitgliedern des Verwaltungsgerichtshofs das Staatsministerium. Der
mündlichen Verhandlung, welche, soweit nicht aus besonderen Gründen eine Beschränkung
beschlossen wird, öffentlich ist, geht eine schriftliche Voruntersuchung voraus. Bei nicht
richterlichen Beamten ernennt der Ressortminister den die Untersuchung führenden, sowie
denjenigen Beamten, welcher im Laufe des Verfahrens die Verrichtungen der Staats-
anwaltschaft wahrzunehmen hat. Bei den Mitgliedern des Verwaltungsgerichtshofs erfolgt
diese Ernennung durch das Staatsministerium. Für das Disziplinarverfahren gegen
einen richterlichen Beamten ernennt der volle Rath des Oberlandesgerichts den Unter-
suchungsrichter, während die Verrichtungen der Staatsanwaltschaft vom Oberstaatsanwalte
wahrgenommen werden. Das Nähere über das Verfahren enthalten die Art. 86 bis 102,
119 des Beamtengesetzes; s. unten § 47. Gegen die Urtheile des Disziplinarhofs findet
nur die Wiederaufnahme des Verfahrens statt, welche sowohl von dem betreffenden Mini-
sterium (bei Richtern vom Oberstaatsanwalt im Auftrage des Justizministeriums) als
auch von dem Verurtheilten aus denselben Gründen beantragt werden kann, welche nach
der Str. Pr. O. die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Urtheil beendigten Straf-
verfahrens rechtfertigen. Zum Nachtheil eines Freigesprochenen oder eines (z. B. nur zu
einer Ordnungsstrafe) Verurtheilten findet die Wiederaufnahme nur binnen 5 Jahren
vom Tage der betreffenden Entscheidung an statt; das Urtheil kann dann aber auf die-
selben Thatsachen wie im früheren Verfahren gestützt werden ⁴).
Ueber den besondern Disziplinarhof für Körperschaftsbeamte s. u. S. 165.
III. Der Geheime Rath.
§ 41. Die staatsrechtliche Bedeutung, welche dem Geheimen Rathe nach der neuesten
Gesetzgebung verblieben ist, wurde oben, § 36, charakterisirt. Formell ist derselbe dem
Staatsministerium koordinirt ⁵). Mitglieder des Geheimen Rathes sind die Minister oder
die Chefs der verschiedenen Departements und diejenigen Räthe, welche der König dazu
1) Der Staatsanwalt gehört nicht (wie Sarwey, II 310 annimmt) zum vollen Rathe des
Oberlandesgerichts (s. Ausf.Ges. z. G. V. G. Art. 16).
2) Beamten Ges. Art. 84 ff.
3) Ges. v. 16. Dez. 1876 Art. 4 vgl. m. Art. 3 Abs. 6.
4) Beamten Ges. Art. 104, vgl. m. Reichs Beamten Ges. § 108 Abs. 2.
5) Seine thatsächliche Stellung ergibt sich aus dem oben bemerkten, sowie daraus, daß die
Mitglieder des Geheimen Raths — mit Ausnahme der Minister — in den drei dem Staatsmini-
sterium untergeordneten Behörden, §§ 38—40, beschäftigt werden.