138 Viert. Abschn.: Die Organisation d. Staates. III. Centralorgane d. Staatsregierung ꝛc. § 43.
seits die Beschränkung, welche sich der Staat dadurch auferlegt, daß er jene Geschäfte nicht
durch seine eigenen Organe besorgt. Der Begriff der Selbstverwaltung ist hiernach ganz un-
abhängig von der Art und Weise, wie dieselbe besorgt wird, ob durch Ehrenamt oder Be-
rufsbeamte, wenn auch thatsächlich im Selbstverwaltungskörper das Ehrenamt, in der un-
mittelbaren Staatsverwaltung das Berufsamt vorzuherrschen pflegt ¹). Dem Gegensatze
zwischen unmittelbarer Staatsverwaltung und Selbstverwaltung entspricht die Unterscheidung
zwischen unmittelbaren und mittelbaren Staatsämtern. — Als Selbstverwaltungskörper im
angeführten Sinne, d. h. als Körper, welchen außer der Verwaltung der eigenen Angelegen-
heiten auch noch die Geltendmachung von Staatshoheitsrechten übertragen ist, erscheinen in
Württemberg die öffentlichen Korporationen, nämlich: a. die Gemeinden, b. die Amts-
korporationen ²), c. die Landarmenverbände, theilweise auch d. die evangelische, die
katholische und die israelitische Kirche, insofern die Kirchendiener als Schulinspektoren,
bei der Verwaltung der örtlichen Stiftungen (im bisherigen Stiftungsrathe (s. § 109) und in
der Ortsarmenbehörde), und als Beamte der Straf- und anderen Staats-Anstalten, sowie
als Militärgeistliche; ferner als Mitglieder der Ortsschulbehörde für Gelehrten- und Real-
schulen (Ges. v. 1. Juli 1876, Art. 4), und Führer der Kirchenbücher für die Zeit vor dem
1. Jan. 1876 ³) — neben ihren kirchlichen Funktionen staatliche Geschäfte besorgen.
Die Einsetzung der unmittelbaren Aemter und die Aenderung derselben erfolgt aus-
schließlich durch den Staat, theils im Wege der Gesetzgebung, theils durch Königl. V.O., wo-
gegen die Organisation der mittelbaren Aemter, soweit solche nicht auf der Autonomie der
Selbstverwaltungskörper beruht, nur im Wege der Gesetzgebung geregelt werden kann.
Während ferner die unmittelbaren Aemter der Regel nach von dem Staatsoberhaupte
oder den von ihm hiermit beauftragten Behörden verliehen werden, erfolgt die Besetzung
der mittelbaren Aemter regelmäßig durch die Korporationsgenossen oder ihre Organe.
Zusatz. Für den Geschäftsbetrieb im Innern der Behörden bestehen in Württem-
berg keine allgemein giltigen Normen; derselbe ist verschieden, je nachdem das Amt durch Einzel-
beamte oder durch Kollegien verwaltet wird und wird durch die für die einzelnen Kategorien von
Aemtern bestehenden Dienstinstruktionen geregelt. So ist der Geschäftsbetrieb bei den Gerichten
im Anschlusse an die §§ 59—69, 142 ff., 194 f. des R.G.V.G., durch die Dienstvorschriften für die Amts-
gerichte, die Landgerichte und das Oberlandesgericht je vom 30. Sept. 1879), bei den Staats-
anwaltschaften durch die Dienstvorschriften vom gleichen Tage geordnet ⁵). Den Geschäftsbetrieb bei
den Kreisregierungen regelt die K. V.O. v. 15. Nov. 1889 und die Instr. hierzu v. 26. Nov. 1889;
denjenigen bei den Finanzkollegien die Instruktion für die früheren Kreisfinanzkammern v. 17. Jan.
1823 ⁶); den Geschäftsbetrieb bei dem Geh. Rathe die revidirte Dienstinstruktion v. 3. Febr. 1835 ⁷).
Die Bestimmungen über den Verkehr der Privatpersonen mit den Verwaltungsbehörden
(Eingaben, Bittschriften, Beschwerden) sind in einer Königl. V. O. vom 22. Januar 1867 ⁸) niedergelegt.
1) S. auch Laband und Gareis an den a. OO. und Schulze, Preuß. St. R. II §. 127f.
2) Zu a und b vgl. Abschn. VII.
3) Dagegen sind die Funktionen der Organisten, Meßner, Kantoren rein kirchlicher Natur;
vgl. Art. 29, 52 des Staats Kirch. Ges. v. 14. Juni 1887 u. arg. § 2 Nr. 3 u. 4 der M. V. v.
7. Nov. 1889 u. Steinheil, Komm. S. 36 f., 96 f. 376; Olshausen, Komm. z. Str. G. B. (3. Aufl.)
II S. 1382, IV α u. β, V B I β, Rieker, die ev. Kirche W. u. ihr Verh. z. Staat S. 121f.
4) Die von Sarwey, II S. 316 Note 6 noch (1883) als giltig aufgeführten Dienstvor-
schriften von 1869 sind seit dem 1. Okt. 1879 sämmtlich aufgehoben.
5) Eine Reihe anderer Dienstvorschriften, z. B. für die Gerichtsvollzieher, für die Behand-
lung der Gerichtskosten, das Kassen- und Rechnungswesen der Gerichte sind hier nur anzudeuten.
6) Vgl. auch die Königl. V. O. vom 21. Nov. 1849 §§ 1—3, v. 31. Aug. 1850, 17. Juli
1851, 8. Nov. 1858, 24. Okt. 1864 und bezüglich des Steuerkollegiums die Königl. V.O. vom 7. Febr.
1892 u. die Finanzmin. Verf. v. 29. Febr. 1892 R.Bl. 29 f., 43f.
7) Ein großer Theil dieser Instruktionen, namentlich aus früherer Zeit, ist nicht veröffent-
licht; in neuerer Zeit sind dieselben durch die verschiedenen Amtsblätter auch weiteren Kreisen zu-
gänglich gemacht.
8) Vergl. auch die M.V. vom 17. März 1877 bezüglich der Verwendung des vorgeschriebe-
nen Kanzleiformats, und über die bei Beschwerden jeder Art anzusetzenden Sporteln: Nr. 14
des Sporteltarifs von 1881/1887.