§ 47. Die Rechtsfolgen der Pflichtverletzung. 149
Eröffnung vollstreckbaren Ausspruch sich nicht beruhigt. Diese Bestimmung gilt für An-
sprüche jeder Art aus der Kassenverwaltung, nicht blos für sog. „Defekte“. An näheren
Bestimmungen über das Vorverfahren, wie sie das R.B.G. enthält, fehlt es in Württem-
berg. Die Verpflichtung der Beamten durch den vollstreckbaren Vorbescheid ist daher auch
nicht, wie nach dem R. B. G., auf die Fälle eines groben Versehens beschränkt. Im Uebrigen
— also namentlich in Beziehung auf andere Beamte — gehören die Schadensersatzansprüche
des Staates und der öffentlichen Korporationen, ohne die Zulassung eines Vorbescheides, an
die Civilgerichte ¹).
C. Die staatsrechtlichen Folgen der Pflichtverletzung ²). Hierher gehört zunächst
die parlamentarische Verantwortlichkeit gegenüber der Volksvertretung ³), welcher
das Recht der Kontrole in Beziehung auf die gesammte Staatsverwaltung zukommt. Diese
Verantwortlichkeit ist jedoch auf die Minister beschränkt, welche den Ständen gegenüber
nicht nur ihre eigenen Verfügungen, sondern auch die Thätigkeit der ihnen untergebenen
Beamten zu vertreten haben; auch ist dieselbe im konstitutionellen Staate eine blos that-
sächliche, politische, da es von dem Ermessen des Staatsoberhauptes abhängt, welche Be-
deutung einem gegen die Minister ausgesprochenen Tadelsvotum beigelegt werden will.
Dagegen dient die Anklage vor dem Staatsgerichtshofe zur Verwirklichung der staats-
rechtlichen Verantwortlichkeit: s. hierüber oben S. 119f.
Hier kommt als staatsrechtliche Folge der Pflichtverletzung nur die Disziplinarstrafe
in Betracht ⁴). Die disziplinäre Verfolgung kann nämlich unabhängig von der Verant-
wortung vor dem Staatsgerichtshofe, als besonderem politischen Gerichtshof für Verletzungen
der Verfassung, vor den ordentlichen Disziplinarbehörden stattfinden, deren Gerichtsbarkeit
übrigens die Minister nicht unterworfen sind, da diese nur vor dem Staatsgerichtshofe
zu rechtlicher Verantwortung gezogen werden können.
Dieses Disziplinarverfahren ist jetzt durch das B.G. von 1876 (Art. 70—115)
im engsten Anschlusse an das R.B.G. von 1873 geregelt ⁵). Wie in letzterem ist der
Begriff des Dienstvergehens als Verletzung der Dienstpflicht ohne weitere Speziali-
sirung bestimmt ⁶). Die Disziplinarstrafen bestehen in Ordnungsstrafen und in der Ent-
fernung vom Amte. Welche dieser Strafen zur Anwendung zu bringen ist, soll nach der
größeren oder geringeren Erheblichkeit des Dienstvergehens mit besonderer Rücksicht auf
das gesammte Verhalten des Angeschuldigten beurtheilt werden.
1. Ordnungsstrafen sind: a) Verweis. b) Geldstrafen, bei besoldeten Beamten
bis zum Betrage des einmonatlichen Gehaltes, bei unbesoldeten bis zu 100 Mark;
c. Haft bis zu 14 Tagen, jedoch nur gegen gewisse im Verordnungswege bestimmte
Kategorien von Unterbediensteten ⁷). — Die Warnung kennt das württemberg. Recht als
1) Nicht ganz genau Streich a. a. O. S. 165 Note 6; s. dagegen Laband, I S. 454, 470
Nr. 6. Ueber die civilrechtliche Haftpflicht des Staates wegen Pflichtverletzungen der Beamten
enthält das württ. Recht keine besonderen Vorschriften; s. hierüber Löning, die Haftung des Staates
1879 und die Verh. des VI. u. VIII. Juristentages u. E.N.G. XI S. 209.
2) Vgl. Laband, R. St. R. I S. 462 ff. und in diesem Handb. II I S. 69 u. Labes,
Die Disz. Gewalt des Staats in Hirth's Ann. 1889 S. 213ff.
3) Im Gegensatze zu dieser rein politischen Verantwortlichkeit steht die rechtliche Verantwort-
lichkeit vor dem Staatsgerichtshofe, welcher ein Disziplinargericht für gewisse besonders qualifizirte
Fälle der Pflichtverletzung bildet (s. § 34).
4) Ueber die Natur der Disziplinarstrafgewalt vgl. Laband, R. St. N. I S. 463 N. 1
und in diesem Handb. II I S. 70.
5) Ueber die Anwendung dieser Bestimmungen auf Körperschaftsbeamte s. u. § 51. Daß
neue Diszipl. Strafgesetze, im Gegensatz zu den Normen über das Disziplinarverfahren keine
rückwirkende Kraft haben, darüber vgl. Boscher's Z. B. XXXIV S. 154; Laband ebd. S. 188.
6) S. auch Laband, R. St. R. I S. 465 f.
7) S. die Königl. V. O. vom 14. April 1881, Beilage, vgl. mit Art. 4 Abs. 2 der Pol.