Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.2. Das Staatsrecht des Königreichs Württemberg. (2)

4 Erster Abschnitt: Geschichtliche Einleitung. II. § 1. 
aufzuheben, bezw. mit Geld abzulösen und an seine Stelle ein bloßes Anwartschaftsrecht des öster- 
reichischen Hauses zu setzen. Letzteres wurde dann durch den Preßburger Frieden vom 26. Dezember 1805 
Art. 15 — wie alle anderen Territorialansprüche ꝛc. Oesterreichs auf einzelne Theile von Württem- 
berg — aufgehoben. 
Die Reformation war von Herzog Ulrich sofort nach seiner Rückkehr im Jahre 1534 im 
ganzen Herzogthum durchgeführt worden. Die evangelisch-lutherische Lehre, wie sie in der 
Augsburger und in der von Herzog Christof dem Konzil zu Trient übergebenen besonderen würt- 
tembergischen Konfession enthalten, wurde in der Folge — nach Beseitigung des auch in Württem- 
berg (1548) durchgeführten Interims — zur ausschließlichen Landesreligion erklärt. Im 
Gegensatze zu anderen deutschen Territorien wurde jedoch das frühere katholische Kirchenvermögen 
nicht säkularisirt, vielmehr wurde durch die große Kirchenordnung von 1559 das Vermögen der 
Stifter und Klöster wie der Ruralkapitel und die Lokaldotationen zu einem allgemeinen, den kirch- 
lichen und Armenzwecken gewidmeten evangelischen Kirchengut (Kirchenkasten) zusammengezogen. Nur 
der Ueberschuß der Einkünfte (das residuum) sollte zu Staatszwecken verwendet, ordentlicher Weise 
aber ein Drittel der Landessteuer auf das geistliche Gut gelegt werden. Dabei behielten die ehe- 
maligen großen Mannsklöster — wenn auch als Bestandtheil des Kirchenguts unter der Aufsicht des 
Kirchenraths stehend — eine selbständige ökonomische Verwaltung unter ihren Prälaten und den 
diesen beigegebenen Klosterverwaltern, was auf's engste mit der Stellung zusammenhing, welche diese 
Prälaten zeither in der ständischen Verfassung des Landes eingenommen hatten. — 
Die Verfassung des ehemaligen Herzogthums Württemberg bietet schon deshalb ein gewisses 
historisches Interesse dar, weil dieselbe von ihren ersten Anfängen im 14. Jahrhundert (s. o. S. 2 
Note 6) sich bis an das Ende des alten deutschen Reichs auf ihrer korporativen Grundlage fort zu 
erhalten vermochte. Gleichzeitig mit der Ausbildung der Landesherrlichkeit zur Landeshoheit begann 
nämlich auch die Entwickelung der ständischen Rechte in Württemberg, indem die Grafen frühzeitig 
bei der Unsicherheit der staatlichen Rechtsordnung und der Schwäche der kaiserlichen Macht für alle 
wichtigeren Rechtsakte in der Mitwirkung der Korporationen der Städte und Aemter einerseits und 
der sog. Zugewandten d. h. der Klöster und des Adels andererseits eine Stütze ihrer auf privat- 
rechtlicher Grundlage ruhenden guts- und hausherrlichen Macht, eine Ergänzung der mangelnden 
staatlichen Autorität, bei den Korporationen insbesondere im Laufe der Zeit auch eine Erhöhung 
ihres finanziellen Kredits suchten und fanden. 
Im Tübinger Vertrag vom 8. Juli 1514 ¹), durch welchen die Streitigkeiten zwischen 
dem Herzog Ulrich und der Landschaft unter Mitwirkung von Delegirten des Kaisers und einer 
Anzahl von Fürsten und Bischöfen zum Austrag gebracht wurden, fand die auf dieser Grundlage 
begonnene Entwickelung der ständischen Verfassung bereits ihren formellen Abschluß. Dieser Vertrag, 
welcher für drei Jahrhunderte die Grundlage des württembergischen Verfassungsrechts bildete und 
als die Magna Charta der württembergischen Freiheiten galt, wurde zwischen dem Herzog einerseits und 
den Prälaten der zum Lande gehörigen großen Mannsklöster und der Landschaft d. h. den Dele- 
girten der Städte und Aemter, als Vertretern des Landes andererseits verabschiedet. Der Adel als 
Stand war nicht mehr dabei vertreten, indem gerade um jene Zeit, wo das ständische Besteuerungs- 
recht seinen Anfang nahm, die Ritterschaft vom Lande sich loszureißen begann und nicht lange 
nachher ihre Unmittelbarkeit bei Kaiser und Reich zur formellen Anerkennung brachte ²). Obgleich 
durch spätere Landtagsabschiede, Testamente der Herzöge ³) und Verträge der öffentliche Rechts- 
zustand des Herzogthums manche Aenderungen erlitt, so blieb doch der ganze Bau der württem- 
bergischen Verfassung von 1514 bis 1806 im Ganzen unverändert. Auch der Erbvergleich vom 
2. März 1770 ⁴), durch welchen die Streitigkeiten zwischen Herzog Karl und den Ständen unter 
1) Diesen Vertrag sowie die Bestätigung desselben durch Kaiser Karl V. vom 15. Oktober 1520, 
s. bei Reyscher, St. Grundges. Bd. II S. 40 u. S. 69. 
2) Vgl. den Religionsfrieden von 1555 § 26, namentlich aber das Privilegium Kaiser Ferdi- 
nands I. für die fränkische und schwäbische Ritterschaft von 1559. 
3) Dahin gehört: a) Herzog Christof's erstes und zweites Testament vom 19. Jan. 1566 
und 18. Okt./28. Dez. 1568, b) Herzog Ludwig's Testament vom 1. März  1587.— 8. Aug. 1593 nebst Codizill vom  
11. Juli 1592 - 8. Aug. 1593 ,c) Der fürstbrüderliche Vergleich vom 28. Mai 1617, d) Herzog Eberhard 
Ludwig's Testament vom 11. Feb. 1732 - 31. Okt. 1733 , d) Herzog Carl Alexander's Testament vom 
7./12. März 1737 nebst 2 Codizillen vom 12. Juni 1736, vgl. Reyscher a. a. O. S. 137, 190, 236 
323, 436, 478. 
4) Reyscher a. a. O. S. 550. 
  
  
 
  
 
	        
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