Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.2. Das Staatsrecht des Königreichs Württemberg. (2)

172 Fünfter Abschnitt: Die Funktionen des Staates. I. Die Gesetzgebung. § 54. 
3. Bezüglich der Organisation der Behörden gilt zunächst der Grundsatz, 
daß soweit der vorhandene Verwaltungsapparat auf Verfassung oder Gesetz beruht, eine 
Aenderung nur auf dem für Verfassungs- oder Gesetzesänderungen erforderlichen Wege 
stattfinden kann ¹). In allen anderen Fällen dagegen (also namentlich wenn es sich um 
die Einsetzung neuer Behörden, ohne Aenderung der gesetzlich bestehenden Kompetenz- 
verhältnisse, oder um die Aufhebung von Organisationen handelt, welche nur auf Ver- 
waltungsverfügungen beruhen) kann, vorausgesetzt, daß die neue Behörde nicht mit obrig- 
keitlichen Rechten, insbesondere mit Straf- und Zwangsbefugnissen ausgestattet werden soll, 
die Organisation im Wege der Verordnung vorgenommen werden und kommt dann 
die ständische Zustimmung nur unter dem Gesichtspunkte der Ausgabenverwilligung in 
Frage ²). 
4. Die Feststellung der für die Thätigkeit einzelner Behörden oder öffentlich an- 
gestellter Personen zu entrichtenden Gebühren kann sowohl unter dem Gesichtspunkte der 
Auferlegung einer öffentlichrechtlichen Leistung als unter dem Gesichtspunkte der Dienst- 
aufsicht ³) oder der rein privatrechtlichen Gegenleistung für eine im Gewerbebetriebe des 
Staates verrichtete Thätigkeit ausgefaßt worden. Sieht man nun von den Fällen ab, in 
welchen durch besondere Gesetze, wie durch das Sportelgesetz von 188 1/87, die Gebühren 
unter dem ersteren Gesichtspunkte geregelt sind oder der Regierung ausdrücklich die Be- 
fugniß zur Normirung derselben im Verordnungswege übertragen wurde ⁴), so nimmt im 
Uebrigen die württemberg. Regierung das Recht in Anspruch, die Gebühren aus den 
beiden zuletzt angeführten Gesichtspunkten im Wege der Verordnung zu regeln. Ins- 
besondere gilt dies auch von der Festsetzung der Tarife und Gebühren im internen Post-, 
Telegraphen- und Eisenbahnverkehr, obgleich in der Abgeordneten-Kammer dieses Recht 
schon wiederholt — aber ohne Erfolg — für die Gesetzgebung reklamirt wurde ⁵). 
5. Das Verhältniß der Landesgesetze zu den Reichsgesetzen ist im Reichsstaats- 
rechte zu erörtern ⁶). 
§ 54. II. Der Weg der Gesetzgebung. Zum giltigen Zustandekommen eines Ge- 
setzes bedarf es der Feststellung des Gesetzesinhalts, der Sanktion und der Verkündigung. 
 
der V. U. v. 1819 erlassenen Verordnungen ꝛc. enthalten sind, soweit sie sich auf Gegenstände be- 
ziehen, deren Regelung dem Verordnungswege anheimfällt durch Königl. V.O. aufgehoben oder ab- 
geändert werden können. 
1) In Beziehung auf die Gerichte s. das R.G.V.G. und das württemberg. Ausf.G. hierzu. 
Nach Art. 13 des letzteren kann die Bildung von Strafkammern bei einzelnen Amtsgerichten, die 
Zusammenlegung mehrerer Amtsgerichtsbezirke zu einem Schwurgerichtsbezirke und die Bildung von 
Kammern für Handelssachen bei einzelnen Landgerichten (G. V. G. §§ 78, 99, 100) im Wege der 
Verordnung erfolgen; s. auch Art. 6 des Verf.G. v. 1. Juli 1876 u. Bitzer S. 272. Mohl, 
1 § 33. R. Gaupp, V. U. S. 98. Im Uebrigen besteht auch hier keine feste Abgrenzung 
zwischen dem Weg der V.O. und der mit königl. Ermächtigung erlassenen Ministerialverfügung, vgl. 
z. B. die Min. Verff. v. 25. Sept. 1856, 15. Apr. 1875, 12. Apr. 1877, 1. Juli 1886 u. die Königl. 
V.OO. v. 4. Juli 1878, 7. Febr. 1892. 
2) S. auch die Verh. der K. d. A. 1851/52, Beil. S. 151, 210 u. Bitzer S. 278f.; vgl. 
Laband in diesem Hdb. II1 S. 103. 
 3 So namentlich bei Gebühren, welche Beamte oder öffentlich angestellte Personen für sich 
erheben sollen. 
4) So in Art. 131 der württemberg. C.P.O. v. 1868 bezüglich der Anwaltsgebühren „bis 
zur Erlassung eines Gesetzes“. Auf Grund dieser Legitimation wurden dann auch nach Erlassung 
des R.G. v. 7. Juli 1879 die Gebühren der Anwälte im Verf. vor den Gemeindegerichten und bei 
der Immobiliarzwangsvollstreckung durch eine Königl. V.O. v. 27. Sept. 1879 geregelt. 
5) Die Annahme von Sarwey, II S. 9, daß diese Frage durch die Reichs-Gesetzgebung 
in der Hauptsache ihre Bedeutung verloren habe, ist nicht richtig; denn die Kompetenz des Reiches 
erstreckt sich nicht auf die Eisenbahntarife (s. Laband, II S. 123) und — in Folge des 
württemberg. Reservatrechts — auch nicht auf die Taxen für den internen Verkehr der Post- und 
Telegraphenanstalt. 
6) S. Laband in diesem Hdb. II 1 S. 97 f., R. St. R. I S. 614.
	        
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