182 Fünfter Abschnitt: Die Funktionen des Staates. III. Die Staatsverträge. § 57.
die Vornahme eines Verwaltungsaktes in Beziehung auf einen andern Staat zum Gegen-
stande haben. Sie begründen zunächst nur eine Verpflichtung des Staates nach Außen
— gegenüber dem andern Kontrahenten — aber nicht nach Innen. Um eine Verpflichtung
der inländischen Behörden oder der Unterthanen zu begründen, bedarf es erst eines
Befehles der Staatsgewalt an dieselben. Dieser kann nach Beschaffenheit des Gegenstandes,
auf welchen sich der Vertrag bezieht, ein Gesetzesbefehl oder ein Verwaltungsbefehl sein.
Der erstere kann nicht ohne Zustimmung der Stände erlassen werden, mag es sich nun
um ein Gesetz im materiellen Sinne oder nur um ein Gesetz handeln, durch welches ein in
Gesetzes f o r m erlassener Befehl andern Inhalts aufgehoben oder abgeändert werden soll.
Aber auch Verträge, in welchen der Staat sich nur zur Vornahme eines Verwaltungs-
aktes einem andern Staate gegenüber verpflichtet, bedürfen in gewissen Fällen der Zu-
stimmung der Stände, s. II.
I. In Folge der Beschränkung, welche gegenüber der Reichsgewalt
die Autonomie der Einzelstaaten in Beziehung auf die völkerrechtliche Vertretung derselben
nach Außen durch Art. 11 der R.V. erfahren hat ¹), steht dem Staate Württemberg eine Be-
fugniß, Staatsverträge abzuschließen nur noch zu:
1. in denjenigen Angelegenheiten, bezüglich welcher eine Kompetenz des Reiches
zur Gesetzgebung überhaupt nicht besteht; doch darf der Staat auch bei Regelung dieser
Gebiete durch Staatsvertrag sich mit der allgemeinen Reichsgesetzgebung nicht in Wider-
spruch setzen;
2. in solchen Angelegenheiten, welche dem Gesetzgebungsrechte des Reiches nach Art. 4
der R.V. unterworfen sind, solange das Reich von seiner Kompetenz noch keinen Gebrauch
gemacht, bezw. soweit das Reich der Autonomie der Einzelstaaten zur Ergänzung der Reichs-
gesetzgebung noch Raum gelassen hat. Nur verlieren die seit der Gründung des Reichs
auf diesem Gebiete abgeschlossenen Landesstaatsverträge ihre Geltung, sobald die Reichs-
gesetzgebung die in Frage stehende Materie regelt ²).
Auch können die Einzelstaaten in den Fällen unter 1 und 2 die durch solche
Staatsverträge begründeten Rechte nicht mehr durch die üblichen völkerrechtlichen Mittel,
insbesondere Kriegserklärung erzwingen, sondern sind für die Geltendmachung derselben
auf die Intervention des Reiches angewiesen, und zwar gegenüber anderen Bundesstaaten
nach Maßgabe des Art. 76 Abs. 1 der R.V., gegenüber fremden Staaten nach Maßgabe
des Art. 11 derselben ³).
II. Soweit hiernach Württemberg noch Verträge mit andern Staaten rechtsgiltig
abschließen kann, finden auf dieselben die §§ 85 und 86 der V. U. Anwendung. Hiernach
bedarf die Staatsregierung ⁴) zum Abschlusse von Staatsverträgen und zwar nicht blos
zur staatsrechtlichen, sondern auch zur völkerrechtlichen Giltigkeit derselben⁵) in gewissen
Fällen der Zustimmung der Stände.
1) Das Nähere hierüber gehört in das R. St. R.; s. Laband in diesem Hdb. I I S. 112 ff.
142 ff R.St.R. I 666 f. II 2, dort auch die Litteratur; Zorn, II, S. 419 ff. 438 ff. Hänel I
S. 537 ff.
2) Laband in diesem Hdb. II I S. 123 u. R.St.R. I S. 667f. Hänel I S. 547 ff.
Wenn Laband a. a. O. S. 668 N. 3 u. S. 669 N. 1 die Staatsverträge der Einzelstaaten über
solche Gegenstände, bei welchen das Reich von seiner Gesetzgebungskompetenz bisher keinen Gebrauch
gemacht hat, ipso jure hinfällig werden läßt, sobald das Reich den Gegenstand nachträglich regelt,
so ist dies, nach Laband's eigener Begründung jedenfalls nur insoweit richtig, als es sich um
Verträge handelt, welche der Einzelstaat nach seinem Eintritt in das Reich mit einem auswärtigen
Staat abgeschlossen hat; s. meinen Komm. zur C. P.O. I S. 12 II S. 319 N. 13.
3) S. Laband a. a. O.
4) S. auch oben S. 76 u. 80.
5) Ueber die in dieser Beziehung vom Standpunkte, der R.V. bestehende Kontroverse vgl.
Laband, R. St. R. I 634 f. und in diesem Hdb. II I S. 120, 121 N. 4 u. 5. Für das württemberg.