Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.2. Das Staatsrecht des Königreichs Württemberg. (2)

184 Fünfter Abschnitt: Die Funktionen des Staates. IV. Das Expropriationsrecht. § 58. 
III. Die Form der Staatsverträge bestimmt sich nach der bestehenden 
diplomatischen Uebung ¹). Die Einleitung der Verhandlungen findet nur auf Befehl des 
Staatsoberhauptes statt. Der wirkliche Vertragsabschluß erfolgt — nach vorgängiger Zu- 
stimmung der Stände, soweit es einer solchen bedarf — durch den Akt der Rati- 
fikation. Diiese besteht in der Unterzeichnung der Ratifikationsurkunde seitens des 
Staatsoberhauptes selbst oder seitens des mit der Ratifikation beauftragten Bevollmäch- 
tigten der Staatsregierung. Uebrigens kann ein Staatsvertrag auch in minder feierlicher 
Form durch Ministerialerklärungen abgeschlossen werden, immer ist aber ein Befehl des 
Staatsoberhauptes mit Gegenzeichnung eines Ministers erforderlich. Konnte die ständische 
Zustimmung vor der Ratifikation nicht eingeholt werden, so ist dieselbe nachträglich ein- 
zuholen; die Rechtsgiltigkeit des Vertrages ist übrigens durch diese Zustimmung nicht 
bedingt, sofern die Voraussetzungen des § 89 der V. U. vorliegen ²). 
Durch die Ertheilung der Zustimmung seitens der Stände, wird eine formelle Ver- 
pflichtung des Staatsoberhauptes zur Ratifikation des Vertrages nicht begründet. 
Einer Verkündung der Staatsverträge bedarf es nur, soweit dieselben einen 
Befehl der Staatsgewalt an die Unterthanen enthalten bezw. zur Folge haben. Die 
Berkündung erfolgt durch Königl. Verordnung unter Erwähnung der ständischen Zustim- 
mung wie bei der Verkündung der Gesetze, indem der Vertrag entweder einfach zur 
öffentlichen Kenntniß gebracht oder dabei noch ausdrücklich die Befolgung desselben durch die 
Behörden und Unterthanen angeordnet wird ³). 
IV. Kapitel (Anhang zu Kap. I und II). 
Das Expropriationsrecht. 
§ 58. A. Die Zwangsenteignung i. e. S. ⁴). Bis zu dem V. G. v. 20. Dez. 
1888 und dem Gesetz von demselben Tag über die Zwangsenteignung von Grundstücken 
war das Recht der Zw. E. ausschließlich durch den § 30 der V. U. v. 1819 normirt. 
Nach dem neuen V.G. lautet jetzt dieser § 30: Niemand kann gezwungen werden, sein 
Eigenthum und andere Rechte für allgemeine Staats- oder Korporationszwecke ab- 
zutreten, ehe über die Nothwendigkeit in dem gesetzlich bestimmten Verfahren von der 
zuständigen Behörde entschieden und volle Entschädigung geleistet worden ist. Entsteht 
aber ein Streit über die Summe der Entschädigung und will sich der Eigenthümer bei 
der Entscheidung der Verwaltungsbehörde nicht beruhigen, so ist die Sache im ordentlichen 
Rechtsweg zu erledigen, einstweilen aber die von jener Stelle festgesetzte Summe ohne 
Verzug auszubezahlen ⁵). 
Das Landesgesetz vom gleichen Tage enthält die nähere Regelung des Enteignungs- 
verfahrens, jedoch mit Beschränkung auf die Enteignung von Grundstücken und Rechten 
an solchen. Sollen daher auf Grund des § 30 andere Vermögensgegenstände, als 
Grundstücke und Rechte an solchen, der Enteignung unterworfen werden, so bedarf es, 
da in der V. U. nicht mehr wie früher eine Behörde für die Entscheidung über alle 
Arten von Enteignungen berufen ist, erst der vorgängigen Erlassung besonderer gesetzlicher 
1) Das Nähere hierüber s. bei Laband, R. St. R. I S. 629 f. 660 f. 
2) S. über diesen § 89 oben S. 29 u. 176. 
3) S. auch Laband, R. St. R. I 663. 
4) Vgal. G. Mayer, d. V.R. I § 101 u. im W. d. d. V.R. I S. 355 (hier auch auf S. 359 
die Litter.; dazu Sieber, das Recht der Expropr. 1889 u. Schelcher, die Enteignung nach 
gemeinem u. sächs. Recht. 1893). 
5) Der Geh. Rath wurde hierdurch als entscheidende Behörde beseitigt und in einem zweiten 
Absatz die Kirchengemeinde der politischen Gemeinde bezüglich der Zulässigkeit der Zw. E. gleich- 
gestellt; im Uebrigen wurde an der alten Fassung, ihrer Mängel ungeachtet, festgehalten, s. u. 
 
	        
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