Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.2. Das Staatsrecht des Königreichs Württemberg. (2)

§ 58. Die Zwangsenteignung i. e. S. 185 
Vorschriften über die Behörde bezw. das Verfahren zum Zweck der Enteignung solcher 
anderer Vermögensgegenstände, soweit nicht etwa einer der Fälle unter B vorliegt ¹). 
Unabhängig von diesen beiden Gesetzen bestehen die Bestimmungen der R.V. 
Art. 41 ²), welche dem Reich das Enteignungsrecht zur Anlegung von Eisenbahnen im 
Interesse der Vertheidigung Deutschlands oder des gemeinsamen Verkehrs einräumen. 
Auch steht dem Reich bezw. dem Kaiser nach den näheren Bestimmungen der württ. 
Militär-Konvention auf Grund des Art. 65 der R.V. die Befugniß, innerhalb des Landes 
Festungen anzulegen und zu diesem Zwecke wie zur Erweiterung und Verstärkung bereits 
vorhandener Festungen das Recht der Expropriation wie der Rayonbeschränkung zu ³). 
1. Die Expropriation i. e. S. ist ein Akt der Staatsgewalt ⁴), durch welchen 
im öffentlichen Interesse das Eigenthum oder ein anderes Recht dem Inhaber gegen 
seinen Willen entzogen und auf einen andern übertragen oder aber dauernd be- 
schränkt wird, gegen die auf dem Gesetz beruhende Pflicht zur Leistung der vollen Ent- 
schädigung. Eingriffe der Polizeigewalt ⁵) in die Vermögensrechte der Einzelnen zur Ab- 
wendung einer dringenden Gefahr für die Sicherheit der Gesammtheit oder einzelner Per- 
sonen fallen dagegen nicht unter den Schutz der V. U. und begründen keinen Anspruch auf 
Entschädigung, soweit nicht einer der unter B. aufgeführten reichsgesetzlich — in einem 
Fall auch landesgesetzlich — geregelten Ausnahmefälle vorliegt. 
2. Die Zwangsenteignung setzt hiernach voraus: 
a) daß es sich um die Abtretung des „Eigenthums“ oder „anderer Rechte“ 
handelt. Die V. U. spricht zwar hierbei nur von der Abtretung und damit von der 
Uebertragung des entzogenen Rechts auf den Exproprianten; daß aber, wenigstens bei 
der Enteignung von Immobiliarrechten, auf welche sich das Gesetz v. 20. Dez. 1888 
bezieht, auch die bloße Aufhebung oder Beschränkung eines bestehenden Rechts, wenn 
auch gegen den Wortsinn der V. U., unter der Abtretung zu verstehen ist, ergibt sich aus 
Art. 4, vgl. m. 15, 17³, 23² des angef. Gesetzes ⁶). Das Enteignungsverfahren kann 
daher auch stattfinden blos zur Aufhebung oder Beschränkung einer Dienstbarkeit, deren 
fernere Ausübung mit dem beabsichtigten Unternehmen unvereinbar, ebenso aber auch zum 
Zweck der Beschränkung des Eigenthums ohne Uebertragung der Substanz, wie z. B. zur 
Anlegung einer unterirdischen Röhrenleitung, Führung von Telegraphendrähten über oder 
unter der Erde ꝛc. ꝛc.⁷), also durch Konstituirung einer bisher nicht bestehenden Dienst- 
 
1) So auch die Motive (Verh. d. A.K. 1886/88 I. B.B. S. 374, 386). 
2) S. hierüber Laband, 1 S. 189, II S. 114, 115. 
3) Rayonges. v. 21. Dez. 1871 u. Laband, I S. 189, II S. 570. 
4) Es liegt also kein Zwangskauf vor, aber auch kein Eigenthumsübergang kraft Gesetzes, 
vielmehr vollzieht sich der Eigenthumsübergang durch einen Akt der Verwaltungsbehörde. Art. 39 
a. a. O. u. E. R.G. XII S. 405 f. 
5) Sovweit es sich dagegen um Eingriffe in die Privatrechte des Einzelnen seitens der Or- 
gane des Fiskus oder der öffentlichen Korporationen z. B. bei Erbauung von Eisenbahnen oder 
andern öffentlichen Bauten handelt, können die Grundsätze des römischen Rechts über den Ausschluß 
der cautio damni infecti und damit des Schadensersatzes überhaupt gegenüber einem opus publi- 
cum (s. die Entsch. des frühern württ. Obertribunals im w. Arch. B. XIII S. 262, 263 N. 31) 
nicht mehr zur Anwendung kommen, da diese Vorschriften, nach der heutigen Scheidung zwischen 
Privat- und öffentlichem Recht, als privatrechtliche Privilegien erscheinen, welche durch das Ges. v. 
28. Febr. 1873 aufgehoben sind. Ueber Beschädigungen seitens der Militärgewalt s. unten u. Nat. Leist. 
Ges. §§ 11 u. 14; R.G.E. XV S. 37ff. — R.G. v. 21. Juni 1887 II § 7. Nur wenn eine vorüber- 
gehende Beschränkung des Eigenthums oder sonstiger Rechte an Grundstücken im Sinne des Art. 4 ² 
des Enteignungsgesetzes in Frage stehen würde, hätte ein Enteignungsverfahren stattzufinden. 
6) Welches, weil gleichzeitig mit der Neuredaktion des § 30 der V. U. erlassen, trotz der unpassen- 
den Fassung des letzteren — s. dagegen das preuß. Expr. Ges. v. 11. Juni 1874 § 1, — nur als 
Auslegung der V. U., wenn auch mit Beschränkung auf Immobiliarrechte, aufgefaßt werden kann. 
7) Nur kann nach Art. 15 ² a. a. O., wenn durch eine solche dauernde Beschränkung das Grund- 
stück nach seiner bisherigen Bestimmung nicht mehr zweckentsprechend benutzt werden könnte, der
	        
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