Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.2. Das Staatsrecht des Königreichs Württemberg. (2)

§ 58. Die Zwangsenteignung i. e. S. 187 
3. Die Zulässigkeit der Enteignung für ein bestimmtes Unternehmen (Nr. 2) 
wird nach vorgängiger Anhörung des Staatsministeriums durch königliche Ent— 
schließung festgestellt, in welcher das Unternehmen nach seinem Umfang und den 
allgemeinen Grundzügen der Ausführung bestimmt und die Enteignungsbehörde be- 
zeichnet wird, auch, wenn der Unternehmer eine Privatperson oder eine Privatgesellschaft 
ist, die Bedingungen festgesetzt werden, welche er in Betreff der Kautionsleistung für seine 
Verpflichtungen zu erfüllen hat ¹). Was den Umfang betrifft, so erstreckt sich die Ent- 
eignung auf alle Abtretungen bezw. Beschränkungen, welche nothwendig sind a) zur plan- 
mäßigen Herstellung derjenigen Anlagen, welche der Zweck des Unternehmens erfordert, 
sowie der in Art. 7, Abs. 1 und 2 des Gesetzes bezeichneten Anlagen und Einrichtungen 
(Aenderungen an öffentlichen Wegen, Flüssen ꝛc. ꝛc., Schutz der benachbarten Grundstücke 
gegen Gefahren und Nachtheile ꝛc.); b) für die erforderlichen Ablagerungen von Erde, 
Schutt ꝛc. ꝛc., wobei eine vorübergehende Benützung fremder Grundstücke zu Interims- 
wegen, Lagerplätzen ꝛc. ꝛc. nach dem oben angeführten Art. 4 Abs. 2 (also unter Be- 
schränkung des Expropriaten durch jene Benützung auf die Dauer von höchstens 3 Jahren) 
in Anspruch genommen werden kann ²). 
Schon vor Erlassung der königlichen Entschließung muß auf Anordnung der höheren 
Verwaltungsbehörde, bei Enteignungen für Korporationszwecke der Kreisregierung, nach 
der königl. Entscheidung aber auf Anordnung der jetzt bestellten Enteignungsbehörde der 
Besitzer (Eigenthümer, Nutznießer, Pächter oder Miether) die zur Vorbereitung des 
Unternehmens erforderlichen Handlungen auf seinem Grund und Boden geschehen 
lassen gegen Vergütung des ihm hiedurch entstehenden, nöthigenfalls im Rechtsweg fest- 
zustellenden Schadens ³). 
4. Die Enteignung erfolgt gegen volle Entschädigung des Besitzers ⁴) (Expro- 
priaten). Diese liegt dem Unternehmer (s. o. S. 186 d) ob und ist in Geld zu leisten. 
Sie umfaßt den Werth des abzutretenden Grundstückes einschließlich der mitenteigneten 
Zubehörden und Früchte, sowie den etwaigen weiteren Schaden, welcher durch die Ent- 
eignung verursacht worden ist ⁵). Die näheren Bestimmungen über die Bemessung des 
Werths sind in den Art. 10— 13 des Gesetzes enthalten. Zur Entschädigung für 
Dienstbarkeiten und andere dingliche Rechte, welche auf dem abzutretenden Grundstück 
haften, dient nach Art. 14 regelmäßig die dem Eigenthümer selbst zu leistende Geld- 
entschädigung. Pächter und Miether des abzutretenden Grundstücks können selbständig 
das erweisliche Interesse, welches sie an der Fortsetzung des Pachts oder der Miethe bis 
zu deren Ablauf oder bis zum nächsten Kündigungstermin haben, ersetzt verlangen. Die 
Entschädigung für die unmittelbare Entziehung von Rechten sowie für die Auferlegung 
von Beschränkungen erfolgt nach denselben Grundsätzen wie für die Entziehung des Eigen- 
thums (Art. 15 a. a. O.). 
5. Das Enteignungsverfahren selbst, auf Grund der königlichen Entscheidung über 
die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung (s. o.), zerfällt in drei Theile: 
a) das Verfahren zur Feststellung des Plans, insbesondere zur Bestimmung 
der einzelnen abzutretenden Gegenstände (Art. 16—26). Dieses wird eingeleitet vor der 
Enteignungsbehörde auf Antrag des Unternehmers, der einen öffentlich bekannt zu machenden 
Plan über die Ausführung des Unternehmens dieser Behörde vorzulegen hat. Werden 
innerhalb der gesetzlichen Frist von 14 Tagen für die Auslegung dieses Plans — auf dem 
 
1) S. das Nähere in Art. 2 a. a. O. 2) Art. 5. 
3) Das Nähere hierüber s. in Art. 6. 
4) Ueber die bisherige Praxis der Gerichte im Württemberg s. Breitling im Württ. Arch. 
B. XXIII S. 1 ff. 5) Art. 8 u. 9.
	        
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