§ 62. Die direkten Steuern. 197
solchen haftenden Berechtigungen Dritter. Die Grundlage für das Grund- und Gefällkataster bildet
bezüglich der Markungsfläche das Primärkataster der Landesvermessung, bezüglich des Flächengehalts
und der Kulturart der einzelnen Parzellen das berichtigte und ergänzte Güterbuch jeder Gemeinde.
2. Als Maßstab für die Besteuerung der Gebäude dient der durch Schätzung zu ermittelnde
volle Kapitalwerth der Gebäude, d. h. derjenige Werth, um welchen ein Gebäude sammt Grundfläche und
Hofraithe nach seiner Lage, Nutzbarkeit, seinem Umfange, Bauzustand, seiner inneren baulichen Ein-
richtung und nach den übrigen auf den Werth einwirkenden Verhältnissen, jedoch ohne Berücksichti-
gung der mit dem Gebäude etwa verbundenen nutzbaren Rechte zur Zeit der Katastrirung von dem
Besitzer abgegeben werden könnte und einen Käufer finden würde. Aus dem hiernach ermittelten
Kapitalwerthe der Gebäude wird der steuerbare Jahresertrag berechnet, welcher auf 3% dieses
Kapitalwerths festgesetzt ist ¹).
3. Die Gewerbesteuer wird nach dem doppelten Maßstabe des Arbeitsverdienstes und
des Gewinnes aus dem in dem Gewerbe umgesetzten Betriebskapital im Wege der Ein-
schätzung bestimmt. Der letztere wird dann wie der Ertrag aus Kapitalien, der Arbeitsverdienst
wie ein Berufseinkommen (s. u. S. 199) behandelt.
Bei den seßhaften Gewerben hat hiernach der Gewerbetreibende die Zahl und Gattung
der in dem Gewerbe verwendeten Gehilfen und die Größe des in demselben angelegten Betriebs-
kapitals selbst anzugeben (Fassionspflicht). Mit Benützung dieser von dem Steuerkommissär
geprüften Angaben schätzt sodann die Schätzungskommission den persönlichen Arbeitsverdienst jedes
Steuerpflichtigen, sowie den in Prozenten auszudrückenden Ertrag aus dem festgestellten Betriebs-
kapital. Beträgt das letztere weniger als 700 Mark, so ist ein Ertrag aus demselben nicht zu
berechnen. Die Einschätzung des persönlichen Arbeitsverdienstes erfolgt nach zwei Klassentafeln, die
eine für den Verdienst in Fabrikations-, Dienst- und Wirthschaftsgewerben, die andere für den
Verdienst in Handelsgeschäften und Hilfsgeschäften des Handels. Besondere Bestimmungen gelten
für die Einschätzung der Versicherungsgesellschaften. Schließlich wird als steuerbarer Betrag ange-
nommen a) bei dem persönlichen Arbeitsverdienst bis 850 Mark einschließlich ⅒; von den
Mehrbeträgen von 850—1700 Mark 2⁄10, von 1700—2550 Mark 4⁄10 von 2550—3400 Mark 8⁄10 ,
von dem weiteren Einkommen der ganze Betrag ²); b) bei dem Betriebskapital der eingeschätzte
volle Jahresertrag.
Die Steuer von Wanderlagern und aus dem Hausirgewerbe wird auf Grund von
Fassionen der Pflichtigen und mit Hilfe von Klassentafeln nach Schätzungen des Bezirks- bezw. des
Ortssteueramtes berechnet ³). Nichtwürttembergische Musterreisende unterliegen, soweit nicht Staats-
verträge etwas anderes bestimmen, einer jährlichen Patentabgabe von 30 Mark.
4. Die Steuer ist eine Realsteuer. Persönlich steuerpflichtig sind die in den öffentlichen
Urkunden (Grundbüchern ꝛc.) aufgeführten Eigenthümer oder Nutznießer von Grundstücken und
Gebäuden ꝛc., sowie Jeder, der im Lande ein Gewerbe betreibt. Ausländer werden, soweit nicht
Retorsion stattfindet, wie Inländer behandelt ⁴). Von der Besteuerung ad 1—3 sind neben dem
Eigenthume des Staates, den von diesem zu unterhaltenden Anstalten und den Staatsgewerben, sowie
neben den zur Krondotation gehörigen Grundstücken und Gebäuden befreit: alle zum öffentlichen
Gebrauche dienenden Grundflächen; die als Besoldung an Staats-, Kirchen- und Schuldiener ver-
liehenen Grundstücke und nutzbaren Rechte (s. u.); alle Gebäude, welche zu öffentlichen Zwecken dienen,
ohne dem Eigenthümer einen ökonomischen Nutzen abzuwerfen; Gebäude in Feldern, Gärten, Wein-
bergen, Waldungen, welche weder bewohnbar sind, noch zu einem landwirthschaftlichen oder Gewerbe-
betrieb dienen, sowie Gebäude, welche überhaupt nicht benützt werden können; der Handel mit
Produkten von eigenen oder gepachteten Grundstücken, sowie mit den davon ernährten Thieren und
deren Erzeugnissen; die Privateisenbahnen, sofern letztere mit dem von der Verwaltung im Ganzen
zu fatirenden Ertrag der Steuer vom Kapital- und Renten- ꝛc. Einkommen (s. S. 198) unterliegen.
— Außerdem sind jetzt neubestockte Weinberge, wenn die erneuerte Fläche mindestens ein Ar beträgt,
von dem auf die Erneuerung folgenden Steuerjahr an fünf Jahre lang von der Staats- wie von
der Korporations- und Gemeindesteuer frei ⁵).
1) Ges. v. 6. Juni 1887.
2) Ges. v. 24. Juni 1875 (R.Bl. 331).
3) Ges. von 1873 Art. 99; Verf. d. Kat. Komm. v. 30. Juni 1877 (A.Bl. dieser Komm. S. 50)
u. v. 1. Dez. 1883 (A.Bl. d. Komm. S. 341). Die Wanderlager sind hiernach in jedem Orte, wo die
Verkaufslokale gehalten werden, zur Steuer beizuziehen.
4) Art. 2 u. 3 a. a. O.
5) S. Art. 1 u 2 des Ges. v. 29. März 1893, dessen Anwendung übrigens auf die Neu-
anpflanzungen bis zum Jahre 1921 einschließlich beschränkt ist.