200 Sechster Abschnitt: Das Finanzwesen. § 62.
b) bei Kapitalien und Renten der volle Jahresertrag nach dem Bestande vom 1. April, ohne
Abzug von Passivzinsen oder Schulden, sollten diese auch von der Erwerbung des Kapitals selbst
herrühren ¹);
c) bei dem Dienst- und Berufseinkommen von einem jährlichen Gesammteinkommen bis
850 Mark einschließlich 1⁄10 von den Mehrbeträgen bis 1700 Mark 2⁄10, bis 2550 Mark 4⁄10 , bis
3400 Mark 8⁄10 , von dem weiteren Einkommen der ganze Betrag.
Die Höhe der Steuer wird für jede Etatsperiode durch das Finanzgesetz bestimmt. Die-
selbe beträgt seit 1871 (nach einer nur vorübergehenden Herabsetzung auf 4 2⁄5 ) 4 4⁄5 Prozent des
steuerbaren Jahresertrags ²). Eine Vergütung der Kapitalsteuer darf dem Schuldner nicht anbe-
dungen werden.
4. Wird ein der Besteuerung unterliegendes Einkommen der Steuerbehörde ganz oder theil-
weise verschwiegen, oder von einem Kapitalbesitzer die Entrichtung der Steuer dem Schuldner
anbedungen, so ist als Strafe der zehnfache Betrag der Steuer verwirkt, auch die letztere
nachzuholen. Die Steuergefährdung ist mit der Abgabe der Fassion an die Aufnahmebehörde, bei
Unterlassung jeder Fassion mit Ablauf des Steuerjahrs vollendet. An die Stelle der Defraudations-
strafe tritt jedoch eine Ordnungsstrafe bis zu 300 Mark, wenn nachgewiesen wird, daß eine Steuer-
gefährdung nicht habe verübt werden können oder nicht beabsichtigt gewesen sei. Straflofigkeit tritt
ein, wenn von dem Steuer- bezw. Fassionspflichtigen, bevor eine Anzeige der Verfehlung bei der
Behörde gemacht wurde oder ein strafrechtliches Einschreiten erfolgte, die unterlassene oder zu nieder
abgegebene Fassion bei einer Aufnahmebehörde oder einer dieser vorgesetzten Steuerbehörde nach-
getragen bezw. berichtigt wird ³).
Nach dem Tode eines Steuerpflichtigen sind dessen Erben bezw. deren gesetzliche Vertreter
verpflichtet, binnen 6 Monaten vom Tode ihres Erblassers an das von letzterem nicht oder in zu
geringem Betrag fatirte Einkommen, soweit die Steuer nicht am Todestag verjährt war, bei dem
Bezirkssteueramt anzumelden; auch sind sie, soweit sie durch die Erbschaft bereichert find, schuldig,
das Dreifache der von dem Erblasser nicht entrichteten und nicht verjährten Steuerbeträge nach
Verhältniß ihrer Erbantheile zu ersetzen. Wird die Anmeldung nicht oder nicht vollständig nach-
geholt, so verfallen die Erben, bezw. solche gesetzliche Vertreter derselben, welche an der Erbschaft
vermögensrechtlich betheiligt sind, nach Verhältniß der Erbantheile in die Strafe des zehnfachen
Betrags der zurückgebliebenen und durch ihre Unterlassung verkürzten Steuerbeträge. Lag nachweis-
barermaßen auf Seite des Anmeldepflichtigen ein absichtliches Zuwiderhandeln gegen die Anmelde-
pflicht nicht vor, so tritt nur eine Ordnungsstrafe ein. Die Nachzahlung des dreifachen Betrages der
noch nicht verjährten zurückgebliebenen Steuerbeträge hat jedenfalls stattzufinden. Auch für die Erben
bezw. Vertreter tritt Straflosigkeit in dem zu N. 3 bemerkten Fall ein ⁴).
5. Frei von der Kapital- und Renten-Steuer sind die Einkünfte des Staates und der
ganz oder theilweise auf Kosten des Staates zu unterhaltenden öffentlichen Anstalten: insbesondere
der Schulfonds, der unter öffentlicher Verwaltung stehenden Wittwen- und Waisenkassen, ferner die
Aktivkapitalzinsen der Berufsgenossenschaften, der Orts-, Betriebs-(Fabrik-), Bau- und Innungs-
krankenkassen, der Knappschaftskassen, der Gemeindekranken- u. Krankenpflege-Verficherungen, die
Kapitalzinsen der allgemeinen Sparkasse und anderer unter öffentlicher Verwaltung stehender Spar-
kassen, des Wohlthätigkeitsvereins und der unter öffentlicher Verwaltung stehenden Hilfskassen ⁵).
Steuerfrei sind ferner die einen Jahresertrag von 500 Mark nicht übersteigenden Zinsen und
1) S. auch Ges. v. 1852 Art. 5, Verf. v. 10. Juni 1853 § 2 u. v. 7. Juni 1872 § 2. Bei
Einkünften von Kapitalien u. Renten, sowie von Dienst- u. Beruf, welche aus Bezugsquellen außer-
halb Württembergs fließen und außerhalb W. bereits mit einer Steuer belegt sind, darf die aus-
wärtige Steuer an dem Jahresertrag dieser Einkünfte abgezogen werden. Ges. v. 1872 Art. 1.
2) Mit dem Gemeindesteuerzuschlag von 1% also 5 4⁄5 %.
3) Ges. v. 13. Juni 1883; für das Strafverfahren ist das Ges. v. 25. Aug. 1879 maß-
gebend; die Strafgelder fließen auch hier in die Unterstützungskasse für die niederen Diener der
Steuerverwaltung.
4) Das Nähere s. in dem Ges. v. 23. Mai 1890 Art. 1—4. Dieses Gesetz ist veranlaßt
durch ein Urtheil des Reichsgerichts, welches das bisherige Württ. Recht — die Bestrafung des
Nachlasses, also des Verstorbenen — als mit der R. St. P.O. unvereinbar erklärt hatte. Dagegen
wird jetzt eine selbständige strafbare Handlung der Erben bezw. des gesetzlichen Vertreters konstruirt;
vgl. auch die M. Vf. v. 9. Juni 1890 R.Bl. S. 109.
5) Art. 32 des Ausf.G. v. 4. März 1888; nicht aber die Kapitalzinsen der eingeschriebenen
u. der auf Grund landesrechtlicher Vorschriften errichteten Hilfskassen, für welche ein Zwang zum
Beitritt nicht besteht.