Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.2. Das Staatsrecht des Königreichs Württemberg. (2)

81. Geschichtliche Einleitung. V. 9 
in Württemberg doch nicht mehr länger aufrecht zu erhalten war, so erließ der König, von Wien 
zurückgekehrt, um auch jedem Schein eines Druckes von Außen zu begegnen, schon am 11. Jan. 1815 
ein Manifest, in welchem er die Absicht verkündete, dem Lande eine angemessene Verfassung und 
ständische Repräsentation zu geben. Sofort erging am 29. Jan. 1815 ein Ausschreiben, betreffend 
die Wahlen von Abgeordneten zu der auf den 15. März 1815 angesetzten allgemeinen Stände- 
versammlung, nach welchem die Inhaber der vier Erbkronämter, die Häupter der vormals reichs- 
unmittelbaren fürstlichen und gräflichen Häuser und 19 vom König ernannte adelige Gutsbesitzer, 
zusammen 50 Virilstimmführer des hohen und niederen Adels mit den Abgeordneten der sieben 
"guten“ Städte und der Oberamtsbezirke die künftige Landesvertretung bilden sollten. Die Theil- 
nahme an der Wahl der Abgeordneten war an einen Census von 200 fl. Jahresertrag aus liegenden 
Gütern geknüpft ¹). 
Bei der Eröffnung der Versammlung am 15. März 1815 wurde den Ständen sofort eine 
vom König durch Unterschrift und Siegel anerkannte Verfassung vorgelegt, welche alsbald in Wirk- 
samkeit treten sollte. Allein die Stände stellten sich auf einen ganz entgegengesetzten Standpunkt. 
Die Mehrzahl der mediatisirten Fürsten und Grafen trennte sich von der Versammlung unter Vor- 
behalt ihrer besonderen auf dem Wiener Kongreß zu bestimmenden Rechte. Die anderen Mitglieder 
jenes Standes und die vom König berufenen adeligen Virilstimmführer reservirten ihre Standes- 
rechte. Im Uebrigen verlangten die Stände die Anerkennung der blos de facto beseitigten erb- 
ländischen Verfassung, indem sie namentlich die Theilnahme an der Verwaltung der Steuergelder, 
die Errichtung einer ständischen Kasse, die Wiederherstellung des altwürttembergischen Kirchenguts 
und des Instituts der ständischen Ausschüsse, und die Revision der seit 1806 erlassenen Gesetze for- 
derten, dagegen sich zu denjenigen Modifikationen bereit erklärten, welche mit Rücksicht auf die 
neuen Verhältnisse erforderlich wären, um die altwürttembergische Verfassung auf das ganze König- 
reich auszudehnen. 
Als dann der König am 26. Juni 1815 die Versammlung vertagte, wandten sich die Stände 
nochmals mit einer Vorstellung an den König, zugleich aber auch an die Staatsministerien von 
Hannover, Preußen und Dänemark als die Garanten der alten Landesverfassung mit der Bitte um 
Vermittelung. Da eine Einigung über die Vertretung der Stände während der Vertagung nicht zu 
Stande kam, so erfolgte zunächst ein gänzlicher Abbruch der Unterhandlungen. 
Nun erklärte der König der am 16. Oktober 1815 wiederberufenen Versammlung in einem 
Rescripte vom 13. November seine Bereitwilligkeit, den altwürttembergischen Landestheilen die alt- 
württembergische Verfassung zurückzugeben, „Neuwürttemberg aber unter einer auf eine wahrhafte 
Nationalrepräsentation gegründeten, die früheren Rechtsverhältnisse berücksichtigenden Verfassung“ 
von Altwürttemberg zu trennen. Gleichzeitig mit dieser Drohung bezeichnete die Regierung 14 Fun- 
damentalpunkte für die Verhandlungen. Nach längeren Erörterungen fertigte endlich ein von den 
Ständen zur Verhandlung mit den königlichen Kommissären niedergesetztes sog. Instruktionscomité 
den Entwurf einer Verfassung, welcher im wesentlichen auf die alte Verfassung gegründet war und 
noch im September 1816 beendigt wurde, — den sog. ständischen Verfassungsentwurf. 
Es enstand nun aber eine neue Schwierigkeit. Bisher waren beide Theile wenigstens darin 
einig gewesen, daß die Gesammtrepräsentation in einer Kammer vereinigt sein sollte, während 
nunmehr die Regierung eine Trennung des Adels von der übrigen Repräsentation anstrebte ²). Der 
inzwischen am 30. Oktober 1816 zur Regierung gelangte König Wilhelm legte der Stände- 
versammlung, nachdem dieselbe am 7. Dezember vertagt und am 5. März 1817 wieder eröffnet 
worden war, einen neuen königlichen Verfassungsentwurf vor, welcher aus der Berathung des — 
am 8. November 1816 — wiederhergestellten Geheimeraths unter Benützung des Entwurfs des 
ständischen Instruktionscomité's hervorgegangen war. Obgleich dieser Entwurf (welchem fünf Bei- 
lagen angeschlossen waren, insbesondere ein Gesetz über die Preßfreiheit, ein Adelsstatut, Bestim- 
mungen über die Kirchengüter und Stiftungen und über die Universität zu Tübingen) bei unbefan- 
gener Betrachtung entschiedene Vorzüge vor der später vereinbarten Verfassung von 1819 hatte — 
(die erste Kammer sollte nur Volksvertreter, die zweite außer den Standesherren die Ritterschaft, 
Geistlichkeit und vier Vertreter der gelehrten Anstalten enthalten, der Landtag sollte jährlich berufen 
werden, der Ausschuß dagegen wegfallen ꝛc.) — so wurde er doch von der Ständeversammlung, in 
welcher Alt- und Neuwürttemberger, Prälaten und mediatisirter Adel nur an die Erhaltung ihrer 
althergebrachten Rechte dachten ³), mit einer Mehrheit von 67 gegen 42 Stimmen abgelehnt. Nun 
1) Vgl. zu dem Folgenden: Reyscher, St. Gr.G., B. III S. 289 ff., Fricker, die V. U. 
v. 25. Sept. 1819 u. Mohl, I S. 30 ff. 
2) Das Nähere s. bei Reyscher in Weiske's Rechtslex. a. a. O. S. 100 ff. 
3) Vgl. auch Reyscher a. a. O. S. 102 ff. und die bei Mohl, 1 S. 35, Not. 1 u. 2, 
 
	        
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