§ 71. Die Aufgaben der Gemeinden. 221
resp. 30 M. Streitwerths, Art. 3 des A.G. z. C. Pr.O.), die Strafbefugniß der Ortsvorsteher
und Gemeinderäthe (Art. 2—5 u. 11 des Ges. v. 12. Aug. 1879), in Beziehung auf das
Erforderniß der Genehmigung bei Feststellung des Gemeinde-Etats. bei Verwilligung von
Belohnungen an Mitglieder der Gemeindekollegien und bei Veräußerung von unbeweg-
lichem Vermögen der Gemeinden oder der Gemeindestiftungen (Art. 13, 15 Z. 3—5,
Art. 55 Z. 5 des Ges. v. 21. Mai 1891; dann für die Bestimmung der Zahl der Mitglieder
der Waisengerichte (Not. Ges. v. 1843 Art. 3); für den zulässigen Höchstbetrag der
Wohnsteuer und der Rekognitionsgebühr (G.A.G. Art. 55, 34) ¹). Auch die Unterscheidung
zwischen Stadt- und Dorfgemeinden ist ohne Bedeutung ²).
Eine Verbindung mehrerer Nachbargemeinden zu einem speziellen gemeinsamen Zwecke
bilden die Feuerlöschverbände zur gemeinsamen Herstellung und Unterhaltung
der Feuerlöscheinrichtungen und gegenseitiger Hilfleistung in Brandfällen (Landesf.Lösch.O.
1885 A. 2 u. 32).
§ 71. II. Die Aufgaben der Gemeinden. Jede Gemeinde hat das Recht, alle
Angelegenheiten, welche auf den Gemeindeverband, d. h. auf die in der Gemeindemarkung
befindlichen Personen und Sachen sich beziehen, zu besorgen, ihr Vermögen selbständig
zu verwalten und die Ortspolizei ³) (jedoch mit Ausnahme der Eisenbahnpolizei, Ges. v.
2. Oktober 1845, sowie der nach dem R. G.V.G. den Gerichten zustehenden Sitzungs-
polizei) innerhalb der Markung nach den bestehenden Gesetzen zu handhaben.
Diese Selbstverwaltung der Gemeinden wird nach Vorschrift der Gesetze und unter
Aufsicht der Staatsbehörden durch die von den Gemeindegenossen selbst gewählten Organe
(Ortsvorsteher, Gemeinderath und Bürgerausschuß) ausgeübt ⁴). Die Uebertragung der
Gemeindeverwaltung an Staatsbeamte ist ausgeschlossen; namentlich ist den Gemeinden
verboten, die Rechte und Pflichten der Polizeiverwaltung im Wege des Vertrages an eine
Regierungsbehörde in widerruflicher oder unwiderruflicher Weise zu übertragen ⁵). Die
Beschlüsse der Gemeindebehörden sind ferner an die Genehmigung der Staats-
behörden nur in soweit gebunden, als das Gesetz dies ausdrücklich vorschreibt (s. u. § 73 A.)
Nach der Verfassungs-Urkunde ist ferner keine Staatsbehörde befugt, über das Eigenthum
der Gemeinden mit Umgehung oder Hintansetzung ihrer Vorsteher zu verfügen (§ 66
der V. U.) ⁶); auch sollen die Gemeinden nicht mit Leistungen und Ausgaben beschwert
werden, wozu sie nicht vermöge der allgemeinen Gesetze, oder kraft der Lagerbücher oder
anderer besonderer Rechtstitel verbunden sind (§ 67 d. V. U.), und der zur Erfüllung
allgemeiner Landesverbindlichkeiten erforderliche Aufwand darf nur auf das ganze Land,
nicht auf einzelne Gemeinden umgelegt werden (§ 68 d. V. U.) ⁷).
Dieses Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden ist jedoch
a) gänzlich ausgeschlossen für diejenigen Gemeinden, welche nach Maß-
1) Ueber die Veränderung der Klasseneintheilung s. die M.Verf. v. 14. April 1829, v.
1. Mai 1849 u. 9. Nov. 1877; Fleischhauer, S. 6.
2) Abgesehen von der Titulatur des Ortsvorstehers, der Beschränkung der Gemeinden I. Klasse
auf Städte (Verw. Ed. § 10 u. 2) u. gewissen besonderen Bestimmungen für die größeren Stadt-
gemeinden (Art. 18 ff. der Verw.Nov.).
3) Ueber den Gegensatz von Orts- u. Landespolizei s. Fleischhauer a. a. O. S. 27 N. 6.
4) V. U. § 65, Verw. Ed. § 3.
5) Ges. v. 6. Juli 1849 Art. 24. Dies gilt auch für die Residenz.
6) Die Vorschriften des § 30 der V. U. kommen daher auch zur Anwendung, wenn der
Statt die Abtretung von Gemeindeeigenthum zu Staats- oder Korporationszwecken erzwingen
will (s. o.).
7) Diese Bestimmungen erklären sich historisch durch die rechtswidrige Auferlegung von Lasten
auf einzelne Gemeinden seitens der Herzoge, Mißbräuche, mit deren Abschaffung sich schon der Erb-
vergleich von 1770 beschäftigt hatte; vgl. auch Mohl, Staatsr. II S. 154 u. Mohl, Beitr. z.
Gesch. Württembergs S. 21.