Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.2. Das Staatsrecht des Königreichs Württemberg. (2)

224 Siebenter Abschnitt: Die Selbstverwaltung und ihre Organe. I. Die Gemeinden. § 72. 
nutzbaren Eigenthum der Gemeinde, wo solche bestehen. Doch ist dieses Recht beschränkt 
auf die hisher sog. Aktivbürger, d. h. auf die männlichen, selbständig auf eigene Rech- 
nung im Gemeindebezirke wohnenden Bürger, welche das 25. Lebensjahr vollendet, und 
— soweit sie nicht selbst von einem Aktivbürger abstammen, das für diese Nutzungen 
ortsstatutarisch bestimmte „Einstandsgeld“ bezahlt haben, sowie auf die im Gemeinde- 
bezirk wohnhaften Wittwen dieser Bürger ¹). Verschieden hiervon ist der Genuß von 
Stiftungen und andern nicht unter den Begriff der persönlichen Gemeindenutzungen fallenden 
Vermögensvortheilen, soweit solcher bisher an die Gemeindegenossenschaft geknüpft war. 
Für die Theilnahme an diesen Vortheilen genügt der Besitz des Gemeindebürgerrechts 
und die Bezahlung des etwa hierfür durch Ortsstatut festgesetzten Einstandsgelds neben 
der Rekognitionsgebühr für auswärts wohnende Gemeindebürger ²). 
3. in dem Schutz gegen Ausweisung aus dem Gemeindebezirk ³). 
Das Ehren bürgerrecht gewährt nur die Rechte unter Nr. 1 ⁴). 
Den besonderen Rechten der Gemeindebürger entspricht andererseits die Pflicht 
eines jeden in der Gemeinde wohnenden, wählbaren Gemeindebürgers ⁵), eine Wahl in 
den Gemeinderath oder Bürgerausschuß anzunehmen, soweit nicht gewisse, theils un- 
bedingte ⁶), theils von einem Exkusationsverfahren abhängige ⁷) Befreiungsgründe vor- 
liegen, auch dieses Amt während der gesetzlichen Dauer desselben, sowohl im Gesammt- 
kollegium als in den besonders niedergesetzten Deputationenen und Kommissionen zu versehen. 
Andere Gemeindebürger sind zur Funktion in Deputationen und Kommissionen nur ver- 
pflichtet, wenn sie eine Wahl in eine solche freiwillig angenommen haben und auch dann 
nicht auf länger als 6 Jahre ⁸). Ueber die Pflicht zur Zahlung der Rekognitionsgebühr 
s. u. V. 
Das Gemeindebürgerrecht ist persönlich, also nicht an den Besitz eines Grundstückes 
gebunden. Die Mitgliedschaft in mehreren Gemeinden ist nicht ausgeschlossen, vielmehr 
kann jeder Bürger, welcher das Bürgerrecht in einer Gemeinde durch Ertheilung oder 
durch Anstellung (s. u.) erwirbt, sein bisheriges Bürgerrecht durch ausdrückliche, binnen 
drei Monaten nach Erwerb des neuen Bürgerrechts abzugebende Erklärung gegenüber seiner 
bisherigen Gemeinde für sich und seine Kinder giltig vorbehalten ⁹).  
Eine Verpflichtung für jeden württ. Staatsbürger, einer Gemeinde als Bürger 
 
die sog. Realgemeinderechte. Uebrigens kann auch der für die persönlichen Gemeindenutzungen gel- 
tende Grundsatz der gleichen Theilnahme aller nutzungsberechtigten Bürger durch privatrechtliche An- 
sprüche auf eine von diesem Grundsatz abweichende Theilnahme an jenen — an sich öffentlich-rechtlichen 
— Nutzungen modifizirt werden. Art. 27, 28 a. a. O. 
1) Das Nähere über die persönlichen Gemeindenutzungen f. in Art. 20—32 a. a. O. Die- 
selben können, wo sie bestehen, durch Beschluß des Gemeinderaths mit Zustimmung des Bürger- 
ausschusses aufgehoben oder vermindert werden ohne Entschädigungsanspruch der Nutzungsberech- 
tigten. Ueber eine besondere Art von Nutzungen durch Ausübung nutzbarer Rechte der Gemeinde 
(z. B. Pförchrecht) s. Art. 31, 32 u. 43 a. a. O. Ueber die pers. Nutzungsrechte in zusammen- 
gesetzten Gemeinden s. Art. 25. 
2) A. a. O. Art. 33. 
3) A. a. O. Art. 1. 
4) A. a. O. Art. 11. 
5) Jedoch mit Ausschluß der Ehrenbürger; diese haben überhaupt keine Pflichten. Art. 11 a. a. O. 
6) G.A.G. Art. 16, Vollz.Verf. § 9 Abs. 1 (nämlich die Befreiungsgründe der im aktiven 
Dienst befindlichen Reichs-, Staats- u. Hofbeamten, der Mil.-Personen des Friedensstandes, der 
Civilbeamten der Mil.-Verwaltung, des Landjägerkorps, der Zoll- u. Steuerschutzwache, der Kirchen- 
u. Schuldiener, Mitglieder des Reichs- u. Landtags). 
7) Vgl. hierüber u. über das Verfahren Art. 17 a. a. O., Vollz. V. § 9 Abs. 2. 
8) A. a. O. 15—18. Zur Erzwingung der Pflichten dienen Ungehorsamstrafen und, wenn diese 
fruchtlos sind, zeitweise Entziehung der Wahl- und Wählbarkeitsrechte nach vorgängiger Androhung, 
Art. 18 (s. u.); über die Pflicht zur Niederlegung eines Gemeindeamtes s. Art. 19 a. a. O. 
9) A. a. O. Art. 39 u. 40.
	        
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