§ 73. Die Organe der Gemeindeverwaltung. 233
β) Durch Dienstentlassung im Wege des Disziplinarverfahrens ¹) (s. hier-
über oben S. 165).
b) In den Stadtgemeinden von mehr als 10 000 Einwohnern kann, sofern ein
Bedürfniß hierfür vorliegt, die Anstellung eines oder mehrerer besoldeter Gemeinderäthe
— neben den unbesoldeten Gemeinderathsmitgliedern — durch ortsstatutarische Bestimmung
angeordnet werden. Dieselben werden von dem vereinigten Gemeinderath und Bürger-
ausschuß ²) auf bestimmte Zeiträume von nicht weniger als sechs Jahren oder auf Lebens-
zeit gewählt. Wählbar sind nur solche Personen, welche die zweite höhere Dienstprüfung
im Departement der Justiz, des Innern oder der Finanzen ³) erstanden haben und im
Uebrigen die für die Wählbarkeit zum Ortsvorsteher erforderlichen Eigenschaften (s. u.)
besitzen. Diese Gemeinderäthe, welchen, wie den andern, Sitz und Stimme im Gemeinde-
rathskollegium zukommt, haben die ihnen zugetheilten Geschäfte aus dem Geschäftskreise
des Ortsvorstehers zu bearbeiten, sofern ihnen nicht bestimmte dieser Geschäfte zur selb-
ständigen Erledigung an Stelle des Ortsvorstehers zugewiesen werden;
auch können sie mit dem Vorsitz in den für die Gegenstände ihres Geschäftstheils bestimmten
Abtheilungen des Gemeinderaths betraut werden. Dem besoldeten Gemeinderath bezw.,
wenn mehrere vorhanden, dem Dienstältesten derselben kommt im Falle der Verhinderung
des Ortsvorstehers dessen Vertretung zu ⁴).
3. In zusammengesetzten Gemeinden wird durch das Ortsstatut bestimmt, in
welchem der die Gemeinde bildenden Orte der Gemeinderath und Bürgerausschuß sich
versammeln und ob die Stellen im Gemeinderathe und Bürgerausschusse nach einem voraus-
bestimmten Zahlenverhältnisse mit Einwohnern der verschiedenen Orte besetzt werden sollen.
Für Theilgemeinden von 20 oder mehr ansässigen Familien wird zur Besorgung der
örtlichen Angelegenheiten ein Theilgemeinderath von wenigstens drei Mitgliedern bestellt,
der aus dem Schultheißen, oder statt seiner — in Nebenorten — dem Anwalte (s. u.),
dem Ortsrechner und den in der Gemeinde wohnhaften Mitgliedern des Gesammtgemeinde-
raths besteht. Soweit diese zu der bestimmten Zahl von Theilgemeinderathsmitgliedern
nicht ausreichen, werden die Fehlenden von den wahlberechtigten Gemeindebürgern, welche
in dem betreffenden Orte wohnen oder daselbst Grundeigenthum, Gebäude oder Gewerbe
besitzen, für welche sie zu einer Staatssteuer von wenigstens 25 M. veranlagt sind, aus
den unter denselben Voraussetzungen wählbaren Gemeindebürgern auf je sechs Jahre unter
der Leitung des Gesammtgemeindevorstehers gewählt und von diesem verpflichtet. In
Theilgemeinden von weniger als 20 ansässigen Familien besorgt die Gesammtheit der in
dem angeführten Sinn stimmberechtigten Gemeindebürger unter Leitung des Anwalts die
gemeinsamen Angelegenheiten. Wenn die Markung einer Theilgemeinde ganz oder zum
weit überwiegenden Theil in dem Eigenthume einer oder mehrerer gemeinschaftlich wirth-
schaftenden Personen steht, welche allen Aufwand für örtliche Zwecke allein bestreiten, so
werden die örtlichen Angelegenheiten einer solchen Theilgemeinde durch die Eigenthümer
oder deren Bevollmächtigte besorgt. Wenn ferner die Besitzungen eines Steuerpflichtigen
in einzelnen Orten zusammengesetzter Gemeinden den vierten Theil des Betrages des
Gemeindesteuerkatasters sämmtlicher Quellen der direkten Besteuerung erreichen, so steht
dem Eigenthümer dieser Besitzungen das Recht zu, an den Verhandlungen des Theil-
gemeinderaths mit Sitz und Stimme Theil zu nehmen. Es kann dies in Person oder
1) Verw.Nov. v. 1891 Art. 61 ff.
2) In geheimer Abstimmung, nach relativer Stimmenmehrheit.
3) Dispensation von diesem Erforderniß ist zulässig u. erfolgt durch das Min. d. Inn.
(Vollz. V. O. § 15.)
4) Art. 19 u. 72 der Verw. Nov. v. 1891.