§ 73. Die Organe der Gemeindeverwaltung. 237
Das Betreiben einer Wirthschaft ist dem Ortsvorsteher nicht gestattet ¹), auch darf
er keine Anstellung bei der Verwaltung des Gemeinde- und Stiftungsvermögens, welche er
zu leiten hat (als Gemeindepfleger, Theilrechner ꝛc.), übernehmen, ebensowenig Pflegschaften,
welche unter der Aufsicht des Waisengerichts verwaltet werden ²). Dagegen ist die Verbin-
dung des Amts mit einem andern Amt oder mit der Rechtsanwaltschaft nicht unzu-
lässig ³).
Im Falle der Abwesenheit oder sonstiger Verhinderung des Ortsvorstehers
vertritt, wofern er nicht selbst oder die höhere Behörde einen Stellvertreter bestellt hat, das
älteste Gemeinderathsmitglied seine Stelle. Soll das Amt für längere Zeit einem Stell-
vertreter übergeben werden, so hat der Ortsvorsteher dem Bezirksamt den Stellvertreter vor-
zuschlagen, worauf dieses nach Vernehmung des Gemeinderaths hierüber verfügt. Bei
Erledigung der Ortsvorsteherstelle erfolgt die Bestellung des Amtsverwesers durch das Be-
zirksamt nach vorgängiger Anhörung der bürgerlichen Kollegien ⁴). Ist in einer Stadt-
gemeinde von über 10.000 Einwohnern ein besoldeter Gemeinderath angestellt, so kommt
die Stellvertretung stets diesem zu (s. o.). — Ueber die Funktion des Ortsvorstehers als
Rathschreiber und über die Uebertragung gewisser Geschäfte des Ortsvorstehers an besondere
Hilfsbeamte s. Nr. 3. —
Das Amt des Ortsvorstehers wird — abgesehen vom Tod und von den Folgen
strafgerichtlicher Verurtheilung ⁵) — beendigt a. durch Kündigung, wenn das Ent-
lassungsgesuch vom Oberamt angenommen ist ⁶); b. durch Entlassung im Disziplinarver-
fahren wegen Dienstvergehens (s. o. S. 165). — c. wegen körperlicher oder geistiger
Dienstunfähigkeit (s. o. S. 166f.) ⁷).
2. In zusammengesetzten Gemeinden kann in Orten, welche nicht Sitz
des Schultheißen sind, zur Unterstützung des Letzteren in Handhabung der Polizei nach
vorgängiger Vernehmung des Gemeinderaths von dem Oberamte die Aufstellung eines
„Anwalts“ angeordnet werden. Dies geschieht jedenfalls in allen Orten, welche Theil-
gemeinden bilden, es wäre denn, daß die Theilgemeinde ganz oder weit überwiegend
nur aus dem Eigenthume einer oder mehrerer gemeinschaftlich wirthschaftender Personen
besteht. Bei Theilgemeinden, welche wenigstens 20 zu den Gemeindewahlen berechtigte
Bürger enthalten, wird der Anwalt durch die wahlberechtigten (s. o. S. 233 Nr. 3)
Gemeindebürger erwählt, wogegen er in kleineren Orten von dem Gemeinderathe ernannt
und von dem Oberamte in widerruflicher Weise bestätigt wird. Er erhält seine Belohnung
aus der Gesammtgemeindekasse. Der Wirthschaftsbetrieb ist ihm, wie den Gemeinde-
1) Landes O. Titel 30 § 7 S. 72, Komm.O. v. 1758 I 1 § 7, Verw.Ed. § 11, Verw.Nov.
v. 1891 Art. 7, Zirk. Erl. v. 22. Jan. 1818 bei Fleischhauer Nr. 25. Aus besonderen Gründen
kann die Kreisregierung von diesem Verbote dispensiren, Art. 7 a. a. O.
2) Verw.Nov. v. 1891 Art. 47 u. die Beil. 45—47 bei Fleischhauer a. a. O., M.Erl.
v. 23. Juli 1840 u. 12. Nov. 1841 (II. Erg. Bd. z. R. Bl. S. 65, 113); wegen der Pachtung von
Schafweiden innerhalb des Gemeindebezirks, s. das Ges. v. 9. April 1828 Art. 18 u. das Weide G.
v. 26. März 1873 Art. 88.
3) S. auch A. Bl. d. M. d. Inn. 1880 S. 336.
4) Verw. Ed. v. 1822 § 142, 1172, Art. 3 der Verw.Nov. v. 1891; weitere reglementäre Be-
stimmungen enthalten die M. Erl. v. 18. Aug. 1834 u. 5. Mai 1845 (Fleischhauer Nr. 48).
Ueber die Stellvertretung des Ortsvorstehers bei Empfangnahme von Postsendungen vgl. d. M.Erl.
v. 29. Juli 1885 A. Bl. S. 217.
5) Str. G. B. § 31 u. 33.
6) So nach der Königl. V.O. v. 28. Juni 1823 § 7 Z. 10; an einer besondern gesetzlichen
Bestimmung hierüber fehlt es; auch ist eine analoge Anwendung des Art. 21 des Beamten G. von
1876 nicht zulässig, da es sich hier um eine für beide Theile bindende Berufung auf Lebenszeit
handelt; s. auch Boscher's 3. XXXII S. 403ff.
7) S. die beiden Gess. v. 25. Juni 1894.