Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.2. Das Staatsrecht des Königreichs Württemberg. (2)

§ 73. Die Organe der Gemeindeverwaltung. 241 
a) In gewissen Fällen ist seine Einwilligung zur Wirksamkeit eines gemeinde- 
räthlichen Beschlusses erforderlich. Diese Fälle sind, soweit sie die Vermögens- 
angelegenheiten der Gemeinde betreffen, in den §§ 52 und 53 des Verwaltungs- 
edikts aufgezählt (1. Festsetzung des Gemeindeetats und der darauf sich gründenden Um- 
lagen, 2. unvorhergesehene Ausgaben, welche eine neue oder erhöhte Umlage nothwendig 
machen, 3. Verträge über Gemeindeeinkünfte, welche nicht im Wege des öffentlichen Auf- 
streichs zu Stande kommen, 4. Verträge mit Gemeinderathsmitgliedern ohne vorgängiges 
öffentliches Ausgebot, 5. außerordentliche Belohnungen oder Begünstigungen einzelner Ge- 
meinderäthe, 6. alle Nachlässe liquider und exigibler Forderungen der Gemeinde, 7. alle 
Beschlüsse, durch welche der Gemeindeetat bleibend verändert, das Vermögen der Gemeinde 
oder dessen Ertrag für die Zukunft vermehrt oder vermindert wird) ¹). Die anderen Fälle 
gründen sich auf das Gesetz vom 6. Juli 1849 und spätere Gesetze und beziehen sich auf 
die Organisation der Gemeindebehörden i. w. S. ²) 
b) Der Ausschuß hat das Recht, seine Ansichten, Bitten und Vorschläge 
über alle Gegenstände der Gemeindeverwaltung dem Gemeinderathe vorzutragen ³); da- 
gegen darf er sich — abgesehen von der obenerwähnten Prüfung der Jahresrechnung 
— nicht in die laufenden Geschäfte der Gemeinde einmischen, auch darf er den höhe- 
ren Behörden gegenüber nicht als Vertreter der Gemeinde auftreten; er kann sich mit 
seinen Wünschen nur an den Gemeinderath wenden und wenn sie hier keine Berücksich- 
tigung finden, das Oberamt ³) und die diesem vorgesetzten Stellen in der Instanzenfolge 
anrufen ⁴). 
In den Fällen unter a hat der Gemeinderath den Ausschuß vor der Fassung eines 
Beschlusses zur Berathung beizuziehen und über seine Ansichten mündlich zu hören. Ist 
der Ausschuß einverstanden, so wird seine Erklärung im Gemeinderathsprotokoll einge- 
tragen, durch den Obmann und die zwei ältesten Mitglieder des Ausschusses unterzeichnet 
und vom Gemeinderathe das Weitere verfügt ⁵). 
Trägt der Bürgerausschuß Bedenken, der Ansicht des Gemeinderaths beizutreten und 
führt auch die weitere Verhandlung (Verw.Ed. 8 54) zu keiner Einigung, so wird der Aus- 
schuß entlassen, die Berathung im Gemeinderath fortgesetzt und Beschluß gefaßt. Handelt es 
sich jedoch um einen Gegenstand, bezüglich dessen die Zustimmung des Bürgerausschusses zu 
dem Beschlusse des Gemeinderaths gesetzlich nothwendig ist ⁶) und läßt sich die Meinungsver- 
schiedenheit zwischen den beiden Kollegien auf anderem Wege nicht heben, so kann der Ge- 
 
1841 § 9 u. die V.O. v. 14. Juni 1875 § 1 u. bezüglich der Zehrungsvergütung u. Reisekosten 
in zusammengesetzten Gemeinden ebend. §§ 2 u. 3. 
1) Vgl. hierüber § 53 a. a. O. u. G.G. v. 1885; Art. 20, 22, 32, 50, 55 ꝛc. 
2) S. z. B. die Art. 5, 8, 9, 18, 22 des Ges. v. 6. Juli 1849, G. A.G. Art. 11 u. 17 Abs. 2, 
Verw. Nov. v. 9189I Art. 14. Art. 8 u. 10 des A.G. v. 17. Apr. 1873, Art. 2 des Ortsschulges. 
v. 13. Juli 1891; Landes- Feuerlösch O Art. 4, 22 u. bezüglich der Ortsstatuten: die neue BauO. 
v. 1872 Art. 3, G. A.G. Art. 61 u. V.N. v. 1891 Art. 72; s. auch oben S. 183 u. 185. Bezüg- 
lich der Verwaltung der Stiftungen s. Art. 51 der V.N. v. 1891. 
3) Und zwar hat dies persönlich und mündlich durch den ganzen B.Ausschuß oder durch eine 
Abordnung unter Führung des Obmanns zu geschehen, s. Verw. Ed. § 63 vergl. m. § 51 Abs. 4 u. 5. 
4) A. a. O. § 62; vgl. auch den Z. Erl. v. 3. Dez. 1822 bei Fleischhauer, Beil. 188. 
5) A. a. O. § 54. 
6) Gleichgiltig, ob auf Grund des Verwaltungsedikts oder auf Grund eines andern Gesetzes. 
Dagegen findet der Art. 11 der V. Nov. v. 1891 keine Anwendung in andern Fällen von Meinungs- 
verschiedenheiten zwischen Gemeinderath und Bürgerausschuß, also namentlich nicht in Beziehung auf 
Anträge des Letzteren; denn die Gemeinde wird vom Gemeinderath verwaltet, dem B. A. steht keine 
Mitverwaltung zu. Der Art. 11 ermöglicht zwar, einen Widerspruch des B. Aussch. zu überwinden, 
gibt aber dem Letzteren nicht das Mittel, durch Hinzutritt seiner Stimmen Mojoritatsbeschlüsse der 
vereinigten Kollegien herbeizuführen. 
Handbuch des Oeffentlichen Rechts III. 2. Aufl. Württemberg. 16
	        
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