Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.2. Das Staatsrecht des Königreichs Württemberg. (2)

254 Siebenter Abschnitt: Die Selbstverwaltung und ihre Organe. I. Die Gemeinden. 6 75. 
haben, württembergische Staatsbürger sind und noch nicht gehuldigt haben, der Huldigungs- 
eid (die Erbhuldigung der V. U. §§ 10, 20) abgenomment). — Den Gemeindeangehörigen 
wird ferner Gelegenheit gegeben, jedes ihnen bekannte Gebrechen der öffentlichen Verwal- 
tung, sowie ihre etwaigen Beschwerden gegen den Ortsvorsteher, den Gemeinderath oder 
den Bürgerausschuß dem Oberamtmann anzuzeigen ). Im Anschluß an diese allgemeine 
Visitation sind von dem Oberamtsarzt, in der Regel alle sechs Jahre, ärztliche Visitationen 
der Gemeinde in Absicht auf die Gesundheit vorzunehmen und zwar, soweit nöthig, im 
Beisein des Oberamtmanns und des Ortsvorstehers5. 
§ 75. Die Gemeindeverbände ). Mehrere Gemeinden oder Theilgemeinden desselben 
oder verschiedener Oberamtsbezirke können sich zur besseren Erfüllung bestimmter dauernder 
Gemeindezwecke, z. B. der Herstellung von Wasserleitungen, der Unterhaltung von Nach- 
barschaftsstraßen 2c. durch freiwillige Uebereinkunft mit Genehmigung der Kreisregierung 
zu körperschaftlichen Verbänden vereinigen. Dieser Gemeindeverband bildet dann eine 
öffentliche Körperschaft mit selbständiger juristischer Persönlichkeit, welche sich aber von 
anderen Körperschaften des öffentlichen Rechts (Gemeinde, Amtskörperschaft) dadurch unter- 
scheidet, daß sie zwar einen dauernden Zweck zur Voraussetzung hat, aber nicht direkt auf 
dem Gesetz, sondern ?) auf freier Vereinigung beruht. 
Die Verwaltung dieser Verbände wird durch ein zwischen den bürgerlichen Kollegien 
der betheiligten Gemeinden zu vereinbarendes Statut geregelt, welches der Genehmigung 
der Kreisregierung unterliegt. Das Statut muß Bestimmungen enthalten: a) über den 
Zweck des Verbands und über die zu demselben gehörigen Gemeinden; b) über die 
Vertretung des Verbandes, den Sitz derselben?), ihre Befugnisse und Obliegenheiten; 
Jc) über die Aufbringung der Kosten für die Verbandszwecke, insbesondere den Maßstab 
  
1) Val. A. Bl. d. Min. d. Inn. 1892. S. 484 unten. 
2) Diese Visitationen führten bisher den Namen „Ruggericht“ und waren ursprünglich 
Rügegerichte zur Abrügung polizeilicher Uebertretungen durch den Vogt (Oberamtmann), daher 
„Vogtruggerichte“"; vgl. auch die württ. Landes O. Titel 111—113. — Die Aufsicht über die 
Justizthätigkeit der Gemeinden, namentlich auf dem Gebiete der freiwilligen Gerichtsbarkeit, wird 
durch den die Dienstaufsicht führenden Amtsrichter ausgeübt. In Forstpolizeisachen, sowie in 
Beziehung auf die Handhabung der Vorschriften über die Bewirthschaftung der Gemeinde= u. Privat- 
waldungen sind die Forstämter den Gemeindebehörden vorgesetzt (Forstpolizei G. Art. 40, Vollz.Verf. 
v. 21. Juli 1876 §§ 2 u. 3), in Staatssteuersachen die Kameralämter. Letztere können auch 
die Mitwirkung der Gemeindebehörden für die Staatsvermögensverwaltung in Anspruch nehmen. 
Jedoch ist nur das Oberamt, das Amtsgericht und das Forstamt befugt, gegen die Gemeindebehörden 
Strafen oder Zwangsmittel anzuwenden; andere Bezirksstellen haben zu diesem Behufe das Oberamt 
anzugehen. — Bezüglich der Aufsicht über die Verwaltung der nicht ausgeschiedenen Stiftungen 
durch das gemeinschaftliche Oberamt s. o. S. 246; in Schulsachen führt der Oberamtmann in Gemein- 
schaft mit dem Bezirksschulaufseher als „gemeinschaftliches Bezirksamt“ die Oberaufsicht. 
3) Vgl. d. M. Erl. v. 20. Oct. 1875 bei Fleischhauer, Beil. Nr. 224. 
4) Eine durch die Verw.Nov. v. 1891 Art. 27 mit Rücksicht auf die neuerdings entstan- 
denen sog. Wasserversorgungsgruppen neugeschaffene Rechtsform. Durch diese werden übrigens die 
bereits auf der bisherigen Gesetzgebung beruhenden Gemeindeverbände ähnlicher Art nicht berührt; 
so namentlich die Schulverbände nach Art. 7 u. 20 des Volksschul G. v. 29. Sept. 1836, die 
Gesammtortsarmenverbände (s. o. S. 246 N. 2) u. die Feuerlöschverbände (L. Feuerlösch O. v. 1885 
Art. 2 Vollz. Verf. § 13). Auf diese Verbände, welche theilweise gesetzlich vorgeschrieben sind, findet 
der Art. 27 der Verw.Nov. keine Anwendung. 
5) Aehnlich den privatrechtlichen Genossenschaften. Selbstverständlich können übrigens die- 
selben dauernden Zwecke auch in den Formen des Privatrechts verwirklicht werden und es entscheiden 
dann im Streitfall die Civilgerichte, während für Streitigkeiten über die aus einem Gemeindeverband 
im Sinne des Art. 27 der Verw.Nov. entspringenden öffentlich-rechtlichen Verhältnisse zwischen dem 
Verband und den Gemeinden oder zwischen den letzteren untereinander die Verwaltungsgerichte zu- 
ständig sind; a. a. O. Abs. 2, s. auch die Motive hierzu. 
6) Dies ist eine nicht ganz korrekte Fassung des Gesehes einen Sitz im rechtlichen Sinn 
hat die juristische Person (der Gemeindeverband) aber nicht die Vertretung; s. C. Pr. O. § 19 u. 
meinen Komm. hierzu.
	        
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