Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.2. Das Staatsrecht des Königreichs Württemberg. (2)

258 Siebenter Abschnitt: Die Selbstverwaltung u. ihre Organe. II. Die Amtskörperschaften. § 77. 
Exemtionen von dem Amtskörperschaftsverband, welche früher zu Gunsten der Besitzungen 
des Staats, der Hofdomänenkammer, des standesherrlichen und ritterschaftlichen Adels 
bestanden, sind seit dem Gesetze vom 18. Juni 1849 aufgehoben. 
§ 77. II. Die Organe der Amtskörperschaften sind die Amtsversammlung und 
der Amtspfleger. 
1. Die Amtsversammlung besteht unter dem Vorsitze des Oberamtmanns aus 
wenigstens 20, höchstens 30 1) Abgeordneten der Oberamtsstadt und der übrigen Amtsorte?). 
Jede einzelne Gemeinde beschickt die Amtsversammlung nach der sog. Amtsschadenmatrikel, 
d. h. nach dem Verhältnisse, in welchem sie zum Amtsschaden beiträgt, also nach dem 
Betrag ihres Grund-, Gebäude-, und Gewerbekatasters (mit Einschluß der nur amts= und 
gemeindesteuerpflichtigen Objekte); so jedoch, daß keine Gemeinde mehr als zwei Fünf- 
theile sämmtlicher Mitglieder bestellt, die kleinsten Gemeinden aber sich über einen gemein- 
schaftlichen Abgeordneten oder über eine gewisse Reihenfolge vergleichen 3). Die Amts- 
deputirten werden je von dem vereinigten Gemeinderath und Bürgerausschuß auf die 
Dauer von drei Jahren gewählt"). Scheidet der Gewählte während der Wahlperiode 
aus, so ist auf die übrige Dauer der letzteren eine Ersatzwahl vorzunehmen. Ueber die 
Gültigkeit der Wahl entscheidet — aber nur in Anstandsfällen — Namens der Amts- 
versammlung der Amtsversammlungsausschuß (s. u.5)). Wählbar sind alle Personen, 
welche die gemeindebürgerlichen Wahl= und Wählbarkeitsrechte in einer Gemeinde besitzen 
und von denselben nicht zeitweise ausgeschlossen sind t). Jede wählbare Person, welche 
im Amtsbezirke wohnt, ist verpflichtet, die Wahl in die Amtsversammlung auf die Dauer 
der Wahlperiode anzunehmen. Ein Ablehnungsrecht steht nur denjenigen Personen zu, 
welche auch die Wahl in den Gemeinderath ihres Wohnorts abzulehnen befugt sind?). 
Außerdem kann Befreiung von der Pflicht erlangt werden wegen körperlicher Unfähig- 
keit, Alters von mehr als 60 Jahren, Unvereinbarkeit der Funktion mit dem ökonomi- 
schen Fortkommen und den Berufsverhältnissen des Gewählten, überhaupt aus dringenden 
Entschuldigungsgründen. Auch kann derjenige, welcher drei Jahre Mitglied der Amts- 
versammlung gewesen, für die folgenden drei Jahre Befreiung beanspruchen. Ueber 
diese Befreiungsansprüche entscheidet der Amtsversammlungsausschuß (s. u.) 58). Ein 
unfreiwilliges Ausscheiden findet statt, wenn die Voraussetzungen der Wählbarkeit nach- 
träglich wegfallen bezw. sich als von Anfang an nicht vorhanden herausstellen oder wenn 
das Mitglied durch geistige oder körperliche Gebrechen wenigstens ein Jahr lang von der 
Versehung seines Amtes abgehalten worden. Die Entscheidung hierüber steht dem Amts- 
versammlungsausschuß zu; außerdem kann aber auch die Kreisregierung in einem solchen 
Fall die Niederlegung des Amtes von Aufsichts wegen anordnen?). 
Die Mitglieder der Amtsversammlung sind an keine Instruktionen seitens der 
  
1) Innerhalb dieses Rahmens wird die Zahl der Amtsdeputirten von der Amtsversammlung 
selbst bestimmt. 
2) Für die Stadt Stuttgart, welche für sich eine Amtskörperschaft bildet, werden die Ge- 
schäfte der Amtsversammlung von dem Gemeinderath und Bürgerausschuß unter dem Vorsitze des 
königl. Stadtdirektors besorgt. 
3) V.Ed. § 76, Verw.Nov. v. 1891 Art. 28. Die Deputirten, welche nach der bestimmten 
Reihenfolge von der Stimmberechtigung jeweils ausgeschlossen, sind befugt, an den Verhandlungen 
der Amtsversammlung mit berathender Stimme theilzunehmen. Art. 37 a. a. O. 
4) Die Wahl erfolgt unter Leitung des Ortsvorstehers mittels geheimer Abstimmung nach 
der verhältnißmäßigen Mehrheit der Stimmen; bei Stimmengleichheit entscheidet das Loos. 
5) S. hierüber Art. 29 a. a. O. 
6) A. a. O. Art. 30 u. G.A.G. Art. 12 u. 14. 
7) A. a. O. Art. 31 u. G.A.G. Art. 16. 
8) A. a. O. Art. 32 u. über die Folgen des Ungehorsams (Zwangsmittel 2rc.) Art. 33. 
9) Vgl. hierüber u. über das Beschwerderecht Art. 35 a. a. O.
	        
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