268 Achter Abschnitt: Die Landesverwaltung. I. Die Verwaltung der Rechtspflege. 8 80.
Die Schwurgerichte sind in Württemberg neben ihrer reichsgerichtsverfassungs-
mäßigen Kompetenz zuständig für alle durch die Presse begangenen Verbrechen und Ver-
gehen mit Ausnahme der in den §8 18, 28 des R.Preß. G. bedrohten Vergehen, sowie
derjenigen Fälle, in welchen die Verfolgung nur auf Antrag eintritt.
Von dem gesetzlichen Vorbehalte der Bildung von Strafkammern bei einzelnen Amis-
gerichten und der Zusammenlegung mehrerer Landgerichtsbezirke zu einem Schwurgerichts-
bezirke ist bis jetzt kein Gebrauch gemacht worden 7.
C. Das Oberlandesgericht. Dasselbe ist neben seiner ordentlichen reichsgesetz-
lichen Funktion als Instanzgericht in Civil= und Strafsachen nach Württemb. Recht, vor-
behaltlich der dem Justizministerium über alle Gerichte zustehenden obersten Aufsicht, die
Dienstaufsichtsbehörde über sämmtliche Landgerichte. Das Plenum desselben erledigt die
allgemeinen Dienstangelegenheiten, namentlich gehen von ihm die Vorschläge für die
Besetzung der richterlichen Stellen bei den Landgerichten und bei dem Oberlandesgerichte
sowie der Aemter der Kanzleibeamten bei diesem letzteren aus. Dasselbe bildet ferner den
Disziplinarhof für sämmtliche richterliche Beamte (s. o.).
Bei dem Oberlandesgerichte sind zur Zeit zwei Civilsenate und ein Strassenat
eingesetzt. Der Strafsenat entscheidet in der Besetzung von sieben Mitgliedern einschließlich
des Vorsitzenden, wenn über die Zuständigkeit in einer Strafsache zwischen den Gerichten und
anderen mit Strafgewalt ausgestatteten Behörden oder den Militärgerichten Streit entsteht.
In bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten haben die Mitglieder des Königl.
Hauses einen privilegirten Gerichtsstand bei dem Oberlandesgerichte, welches sowohl in
der ersten, als in der Berufungs= und Beschwerdeinstanz entscheidet; auch gibt der König
in Streitigkeiten, welche das Privatvermögen oder die Civilliste des Königs betreffen, vor
dem Oberlandesgerichte Recht; (s. im übrigen oben S. 42 u. 70).
Ebenso haben in Strafsachen die Mitglieder des Königl. Hauses ihren Gerichts-
stand bei dem Oberlandesgerichte; die Entscheidung erfolgt hier durch das Plenum, ein
Rechtsmittel findet nicht statt 2) (vgl. o. S. 41 f.).
D. Im engsten Zusammenhange mit der ordentlichen Gerichtsbarkeit steht die
Staatsanwaltschaft, die Rechtsanwaltschaft und das Gerichtsvollzieher-
institut.
1. Die Staatsanwälte bei dem Oberlandesgerichte und den Landgerichten sind
nicht richterliche Beamte. Sie können jeder Zeit auf ein anderes staatsanwaltliches oder
ein richterliches Amt von nicht geringerem Range und ohne Verlust an Gehalt versetzt
werden. Dieselben rouliren im Dienstalter, welches das Vorrücken in den Gehaltsklassen
bedingt, mit den Richtern (die Staatsanwälte mit den Landrichtern und Landzgerichts-
räthen, einige derselben auch mit den Oberlandesgerichtsräthen, der Oberstaatsanwalt mit
den Landgerichtspräsidenten und Senatspräsidenten), beziehen aber neben dem Gehalte ihrer
Klasse eine Funktionszulage. Mit der zeitweiligen selbstständigen Wahrnehmung ihrer
Amtsverrichtungen können nur zum Richteramte befähigte Personen beauftragt werden.
Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaft (§ 153 Abs. 2 des R.G. V. G., Art. 28 des
württemberg. Ausf.G.) sind nach den Königl. V. O. O. vom 27. Sept. 1879 und
27. Juli 1892 die Ortsvorsteher oder an deren Stelle die mit der Verwaltung der
Polizei beauftragten Gemeindebeamten, die untergeordneten Polizeibediensteten der Gemeinden,
die Stationskommandanten und Mannschaften des Landjägerkorps, die mit dem Forst-,
Jagd-, Zoll= und Steuerschutze vom Staate bezw. den öffentlichen Korporationen beauf-
1) Württemberg. Ausf.G. z. G.V.G. Art. 6ff.
2) Württemberg. Ausf.G. z. G.V.G. Art. 14 ff., Ausf.G. z. St v. 4. März 1879 Art. 1.
Das Nähere hierüber s. bei Baur im württemberg. G.Bl. B. I 326ff.