Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.2. Das Staatsrecht des Königreichs Württemberg. (2)

272 Achter Abschnitt: Die Landesverwaltung. I. Die Verwaltung der Rechtspflege. 882. 
schreiber zur Besorgung des Unterpfandswesens nicht befähigt und findet sich auch im Gemeinde- 
rathe kein zur Besorgung dieses Geschäftes fähiges oder williges Mitglied — worüber das Amts- 
gericht entscheidet — so hat der Gemeinderath einen eigenen Pfandhilfsbeamten zu ernennen, 
welcher dadurch vollberechtigtes Mitglied der Pfandbehörde wird. Wird der Notar des Bezirkes 
gewählt, so muß er die Stelle übernehmen 1). Der Pfandhilfsbeamte hat die Unterpfandsbücher 
und Protokolle zu führen, sämmtliche, auch die in seiner Abwesenheit gepflogenen Verhandlungen 
der Unterpfandsbehörde zu prüfen und zu berichtigen, und wenn diese auf einem von ihm bean- 
standeten Beschlusse beharrt, die Sache zur Entscheidung dem Amtsgerichte vorzulegen?). 
Die Beschlüsse der Unterpfandsbehörde werden mit Stimmenmehrheit gefaßt. In gewissen 
gesetzlich bestimmten Fällen verfügt der Vorstand der Unterpfandsbehörde allein. 
b) Als beständiger Ausschuß des Gemeinderathes für diejenigen Geschäfte der freiwilligen 
Gerichtsbarkeit, welche Theilungs= und Vormundschaftssachen betreffen und ihrer 
Weitläufigkeit oder anderer Umstände wegen nicht füglich vor versammeltem Gemeinderathe ver- 
handelt werden können, namentlich zur Vornahme von Inventuren und Theilungen, zur Aufsicht 
über die Pflegschaften, zur Mitwirkung bei der Abhör der Vormundschaftsrechnungen fungirt 
das Waisengericht. Dasselbe handelt im Namen und aus beständigem Aufstrage des Gemeinde- 
rathes und besteht aus dem Ortsvorsteher und je nach der Größe (Klasse) der Gemeinde ?) aus 
fünf, vier oder drei weiteren Mitgliedern des Gemeinderathes, welche von drei zu drei Jahren 
aus dessen Mitte gewählt werden. Zur Berathung und Unterstützung der Waisengerichte und 
Gemeinderäthe in Behandlung derjenigen Geschäfte, welche besondere Gesetzes= oder Geschäfts- 
kenntniß erfordern, sind denselben die Gerichts- und Amtsnotare beigegeben. Das Gesetz hat 
die Geschäfte speziell bezeichnet, welche nur mit Zuziehung des Notars erledigt werden können 0. 
Jeder Amtsgerichtsbezirk zerfällt in mehrere Notariatsbezirke. Die Notare sind Staatsbeamte 
(Beamten G. v. 28. Juni 1876 Beil. I Lit. A.). Neben ihrer Eigenschaft als Hilfsbeamte der 
Gemeinderäthe und Waisengerichte sind sie selbstständig zur Stellung bezw. Revision der Vor- 
mundschaftsrechnungen, sowie zur Unterstützung des Amtsrichters bei der diesem obliegenden 
Aufsicht über das Unterpfandswesen berufen. Jeder Notar hat in den Gemeinden seines Be- 
zirkes die bezüglichen Geschäfte zu erledigen. Die Sporteln aus den von den Notaren besorgten 
Geschäften werden von diesen eingezogen, verrechnet und an die Staatskasse (das Kameralamt) 
abgeliefert, wogegen die Notare vom Staate besoldet werden s). — Neben ihren amtlichen Ge- 
schäften sind die Gerichts= und Amtsnotare auch befugt, die Verrichtungen der gemeinrechtlichen 
sog. immatrikulirten Notare (Wechselproteste, Aufnahme von Testamenten, Verträgen, Beglau- 
bigung von Urkunden 2c.) auszuüben, sofern sie bei der fraglichen Angelegenheit nicht amtlich 
einzuschreiten haben . 
B. Die Amtsgerichte haben die Aufsicht über die Geschäftsführung der Gemeinde- 
räthe in sämmtlichen nicht der unmittelbaren Erledigung durch das Amtsgericht vorbe- 
haltenen Zweigen der freiwilligen Gerichtsbarkeit, also namentlich auch über die Thätig- 
keit der Unterpfandsbehörden und Waisengerichte, bezw. der Gerichts= und Amtsnotare 
im Inventur-, Theilungs= und Vormundschaftswesen und in der Führung der öffent- 
lichen Bücher, ferner die Ueberwachung der Amtsführung der Standesbeamten (Art. 1 des 
Ausf.G. vom 8. Aug. 1875). Sie bilden ferner die Beschwerdeinstanz gegenüber den 
  
1) Ges. v. 30. Juli 1845. 
2) Das Nähere hierüber s. bei Römer a. a. O. S. 93ff. Durch das Ges. v. 13. April 
1873 ist das Institut der nothwendigen Hilfsbeamten auch auf die Führung der Güterbücher durch 
die Gemeinden übertragen worden. 
3) S. S. 220; in Stuttgart aus 10 Mitgliedern; V. O. v. 10. Jan. 1850 § 2. 
4) Thatsächlich werden die Geschäfte vom Notar besorgt, wenn auch unter Beiziehung der 
Waisenrichter; das Nähere hierüber s. in dem Not.Ges. v. 14. Juni 1843 Art. 5 ff. Die Notare 
sind keine Juristen, sondern geprüfte Geschäftsmänner, regelmäßig ohne akademische Bildung. Ueber 
die Prüfung derselben vgl. die königl. V.O. v. 25. April 1839 §8§ 7ff. u. v. 22. Jan. 1869 und 
über die Vorprüfung für den Unterrichtskurs der Notare die IJ.M. V. v. 8. Febr. 1887. Die 
Gerichtsnotare sind diejenigen Notare, zu deren Bezirk der Sitz des Amtsgerichts gehört; sie unter- 
scheiden sich von den Amtsnotaren nur durch den Titel und die höhere Gehaltsklasse; s. auch 
Wächter, württemberg. Pr. R. I S. 297f., 879f., 1040f. 
5) S. das Not. Sportel G. v. 8. Juni 1883. 
6) Not.G. v. 1843 Art. 9; Not. Ordn. v. 25. Okt. 1808. Ueber die Funktion der Notare 
als Hilfsbeamte für Gemeindeverwaltungsgeschäfte s. d. Min. Erl. v. 18. Aug. 1890 A.Bl. S. 63.
	        
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