§ 3. Umfang und Eintheilung des Staatsgebiets. 15
einkunft der Bodenseeuferstaaten vom 16. März 1880 (Württ. Bekanntmachung v. 21. Juni), welche
übrigens keinen Staatsvertrag darstellt, hat hieran nichts geändert, vielmehr in Art. 3 ausdrücklich
den Vorbehalt gemacht, daß durch die vereinbarte Behandlung der Geburts- und Sterbefälle auf
dem Bodensee „den Hoheitsverhältnissen auf dem Bodensee nichts präjudizirt sein soll“. Die abweichende
Ansicht, welche ein Kondominat pro indiviso sämmtlicher Uferstaaten am Seegebiet annimmt ¹) —
woraus sich die Neutralisation des ganzen Seegebiets etwa mit Ausnahme des Ufers und der an
demselben befindlichen Anstalten ergeben würde — läßt sich, wie die Auffassung als internationales
Verkehrsgebiet ²), weder aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen noch aus der geschichtlichen Entwicklung
rechtfertigen ³). Dem Reich steht daher die Wasserstraße von Konstanz bis Lindau längs des deutschen
Ufers bis zur Mitte des Sees auch in Kriegszeiten offen.
Daneben besitzt Württemberg einige Exklaven in Baden und Preußen (Hohenzollern),
wie diese mehrere Exklaven in Württemberg besitzen. Ein Ort ist Kondominat zwischen
Württemberg und Preußen ⁴).
Das gesammte Staatsgebiet ist in vier Kreise: den Neckar-, Schwarzwald-, Jagst-
und Donaukreis und in 64 Oberamtsbezirke (deren einen der Stadtdirektionsbezirk Stutt-
gart bildet) eingetheilt. Jeder Kreis zerfällt wieder in zwei Landgerichtsbezirke; die Ober-
amtsbezirke sind zugleich die Bezirke der Amtsgerichte. Jedes Grundstück ist einer Ge-
meindemarkung, jede Gemeindemarkung einem Oberamtsbezirke zugetheilt. Exemtionen
bestehen in beiden Beziehungen nicht mehr ⁵).
II. Die Einheit des Staatsgebiets. Seit dem Münsinger Vertrage vom 14. De-
zember 1482 ⁶) bildet die Untheilbarkeit des Landes ein Grundprinzip des württem-
bergischen Verfassungsrechts. Sie ist in § 1 an die Spitze der V. U. gestellt und äußert
sich nach drei Richtungen:
1. sämmtliche Theile des Landes müssen zu einem unzertrennlichen Ganzen vereinigt
bleiben; das Land darf also nicht unter verschiedene Regenten getheilt werden;
2. das Staatsgebiet darf auch nicht in mehrere Provinzen mit verschiedenen Ver-
fassungen zerlegt werden;
3. jede Abtretung einzelner Landestheile ist — abgesehen von Tausch — untersagt,
soweit nicht ein unabwendbarer Nothfall eine solche unvermeidlich macht. In letzterem Falle
soll jedoch den Eingesessenen eine hinlängliche Frist erwirkt werden, um sich anderwärts im
Königreiche niederlassen zu können, ohne in Veräußerung ihrer Liegenschaften übereilt oder
durch Abgaben oder sonstwie beschwert zu werden ⁷). Zur Abtretung an einen außer-
deutschen Staat oder zur Loslösung eines Landestheiles aus dem Reichsgebiete bedarf es jetzt
eines die Verfassung ändernden Reichsgesetzes ⁸); auch kann die Bestimmung unter 3. über-
haupt auf Abtretungen in Folge von Friedensschlüssen keine Anwendung mehr finden, da nach
der R.V. Art. 11 das Recht, Frieden zu schließen, nur dem Reiche zukommt und dieses bei
etwaigen Abtretungen nicht an die Zustimmnng des betheiligten Einzelstaates gebunden ist ⁹).
1) So Rettich a. a. O. S. 11, 83, 98 ff., Seydel, Bayr. St. R., 1 641.
2) Sarwey I, 25.
3) Vgl. auch die Ausführungen von Martitz in Hirth's Ann. 1885, S. 278, ferner
Mohl, St.R., I 146, Laband 1 180 u. von schweizer. Seite: Blumer-Morel a. a. O.,
Salis, schweiz. Bundesr. S. 189 f. Nr. 98; Polit. Jahrb. d. Eidgen. 1887, S. 669, 1888 S. 810,
Hilty, Neutral. d. Schw. 1892, S. 24: Ueber Präcedenzfälle E. P. Schweizer, Gesch. der
schw. Neutralität (1893) S. 274, 512, 524, 526.
4) S. d. Königr. Württemberg v. stat.-top. B. (1882) I, 196 und Riecke, S. 12.
5) Ueber die einzelnen Erwerbungsakte s. die historische Einleitung und das oben angeführte
Werk „das Königreich Württemberg", I. S. 38 ff. und S. 102.
6) S. die geschichtliche Einleitung.
7) Ueber die Bedeutungslosigkeit dieser Vorschrift s. Mohl, I S. 152.
8) Laband in diesem Hdbch. II, I S. 29 u. 30 (der 2. Aufl.), St.N. I 181f.; auch eine ver-
tragsmäßige Grenzregulirung gegenüber einem auswärtigem Staate kann nur durch Hinzutritt eines
internationalen Vertrags der Reichsgewalt giltig bewirkt werden; vgl. auch die Vereinb. zwischen
d. Deutschen Reich u. der Schweiz v. 24. Juni 1879, R.G. Bl. S. 307.
9) Vgl. Laband, 1 182f.