278 Achter Abschnitt: Die Landesverwaltung. II. Die Verwaltg. d. inneren Angelegenheiten. § 84.
waltungsgerichtshof, welcher in verwaltungsgerichtlichen Sachen die dienstliche Aufsicht
über die Kreisregierungen führt (s. o.) 7.
II. Die (64) Oberämter (einschließlich der Stadtdirektion Stuttgart) sind als
Bezirksämter und damit als unterste staatliche Instanz der inneren Verwaltung den
vier Kreisregierungen untergeordnet?). Jedes Oberamt wird durch einen Oberamtmann
als Amtsvorstand verwaltet, welchem regelmäßig ein zweiter Beamter mit der Besugniß
der Stellvertretung — der Amtmann — beigegeben ists).
Zum Wirkungskreise der Oberämter gehören alle Geschäfte der inneren Staats-
verwaltung, welche weder den Gerichts-, noch den Finanzbehörden, noch ausdrücklich anderen
Behörden des Departements (s. §§ 85—100) zugetheilt sind 0. ’
Insbesondere liegt ihnen ob: die Wahrung der Hoheitsrechte des Staates; die Erhal-
tung der Landesgrenze (s. o.) und der mit den Nachbarstaaten bestehenden Verhältnisst der
Amts= und Gemeindeverfassung; die Aufsicht über die Verwaltung der Gemeinden ?), Amts-
körperschaften und der in der Verwaltung der Gemeinderäthe und der Ortsarmenverbände
befindlichen Stiftungen, sowie in Verbindung mit den Dekanen die Aufsicht über die Verwaltung
der gemischten Stiftungen; die Aufsicht über die Verwaltung der Ortspolizei; die Handhabung
der Landespolizei im ganzen Umfange des Worts, der Gesundheitspolizei in Verbindung mit dem
Oberamtsarzt, die Erlassung polizeilicher Strafverfügungen bei Uebertretungen, von Straf-
erkenntnissen wegen Ungehorsams, Ungebühr und Disziplinarverfehlungen (Ges. v. 12. Aug.
1879), sowie von Strafbescheiden wegen Hinterziehung örtlicher Verbrauchsabgaben (Ges.
v. 25. Aug. 1879); die Zwangsvollstreckung wegen öffentlich-rechtlicher Ansprüche, die Funktion
als höhere Verwaltungsbehörde und als Aufsichtsbehörde in gewissen Fällen der Krankenver-
sicherung (s. o. S. 276 N. 3) und die vorläufige Entscheidung von Streitigkeiten in Beziehung
auf die Krankenpflegeversicherung, namentlich aber die Funktion als untere Verwaltungsbehörde
nach den R. Ges. über die Unfall-, Invaliditäts= und Altersversicherung. Z
In Unterordnung unter das Ministerium des Kirchen= und Schulwesens haben sie bei
der staatlichen Aufsicht über die Verwaltung der Vermögensangelegenheiten der Kirchen-
gemeinden mitzuwirken und bilden sie in Verbindung mit den Bezirksschulinspek-
toren die gemeinschaftlichen Oberämter in Schulsachen. Auch haben sie in Verbindung mit
den Amtsgerichten die Anlegung und Fortführung der Güterbücher in den Gemeinden
zu überwachen und bei der Bildung der Standesamtsbezirke mitzuwirken, in Verbindung mit
dem Landwehrbezirkskommandeur die Ersatzgeschäfte erster Instanz zu besorgen,
in Gemeinschaft mit den Fo stüm ter die Aufsicht über die Bewirthschaftung der
Körperschaftswaldungen zu führen, auch mit den Behörden des Finanzdepartements auf dem
Gebiete der Statistik und des Steuerwesens vielfach zusammenzuwirken. Außerdem haben sie
sämmtliche Staatsbehörden bei Erledigung ihrer Aufgaben innerhalb ihrer Amtsbefugnisse
erforderlichen Falls zu unterstützen 0.
Für die Gesundheitspflege ist in jedem Oberamte ein Oberamtsarzt und in
der Regel auch ein Oberamtswundarzt angestellt. Der erstere ist Staatsbeamter,
der letztere wird, wie der Oberamtsthierarzt, durch die Amtskörperschaft gewählt und
durch die Kreisregierung bestätigt?).
Den Oberämtern koordinirt ist die der Kreisregierung in Ulm untergeordnete
1) Art. 6 des Ges. über die Verw. R.fl.
2) V. Ed. v. 1822 §§ 68—70; Fleischhauer S. 100 f.
3) Ueber die rechtliche Stellung dieser Beamten sowie der Oberamtsaktuare val. d. Ges. v.
16. März 1873 Art. 1 u. 2 u. die Königl. V.O. v. 15. Mai 1873 mit dem V. Ed. v. 1822 § 72.
Den O.A.Aktuaren kommt die Befugniß zur Stellvertretung für den Amtsvorstand nur im Fall
ausdrücklicher Verleihung zu. Bei Verhinderung beider Beamten sind unausschiebliche Geschäfte
aushilfsweise vom Amtsrichter vorzunehmen. Z. Erl. v. 24. Apr. 1833.
4) Vgl. V. Ed. v. 1822 § 69 vgl. m. 8 68.
5) Ueber die Ruggerichte s. o. S. 253 f.
6) S. St.H. B. v. 1892 S. 643.
7) V. Ed. v. 1822 8 73; Vf. v. 8. Apr. 1872 § 6. S. auch unten § 89. Wegen der Abtheilung
der gerichtsärztlichen Geschäfte zwischen dem O. A. Arzt und dem O. A.Wundarzt s. d. Min.V. v.
17. Okt. 1879. Die Oberamtsärzte werden aus der Staatskasse besoldet, s. d. Ges. v. 17. Juli
1824; über ihre Bezüge bei auswärtigen Verrichtungen: M.V. v. 7. März 1874. Bezüglich der
Wahl u. Bestätigung der Oberamtswundärzte u. Oberamtsthierärzte, u. über die Anstellungsver-
hältnisse der letzteren s. Fleischhauer: Beil. 205—207.