Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.2. Das Staatsrecht des Königreichs Württemberg. (2)

282 Achter Abschnitt: Die Landesverwaltung. II. Die Verwaltg. d. inneren Angelegenheiten. § 85. 
Das polizeiliche Vorgehen gegen zwecklos und ohne Subsistenzmittel umherziehende 
Personen (Stromer, Landstreicher 2c.) ist in einem Min. Erl. vom 26. März 1888 genau 
geregelt!), auch ist zur Bekämpfung des Stromerthums die Einrichtung von Naturalver- 
pflegungsstationen durch die Gemeinden oder Amtskorporationen vom Ministerium des Innern 
dringend empfohlen worden ?. 
Spezielle Weisungen sind gegen umherziehende Zigeuner ertheilt ). Können sie 
den Nachweis ihrer Reichsangehörigkeit nicht erbringen, so sind sie von der Landesgrenze 
unbedingt zurückzuweisen und wenn sie innerhalb des Landes betroffen werden, auch dann, 
wenn sie im Besitz genügender Subsistenzmittel oder eines Wandergewerbescheins sind, aus 
dem Königreich auszuweisen, soweit nicht reichsgesetzlich eine Ausweisung aus dem ganzen 
Reichsgebiet erfolgen kann!). 
b) Die Polizeiaufsicht ist in Württemberg in Vollziehung der §§ 38 u. 39 des Str. G.B. 
durch die Verfügung der Ministerien der Justiz und des Innern v. 16. Jan. 1872 näher ge- 
regelt. Ist hiernach von den Gerichten auf Zulässigkeit von Polizeiaussicht erkannt worden, 
so kann diese von der Kreisregierung, als der höheren Landespolizeibehörde, in den Grenzen 
des Str. G. B. a. a. O. verfügt werden, wenn nach der Beschaffenheit des verübten Verbrechens 
oder Vergehens und nach der Persönlichkeit des Thäters von ihm die Gefährdung der öffent- 
lichen Ordnung, der Sicherheit oder der Sittlichkeit zu besorgen ist?). — Die unter Polizei- 
aussicht gestellte Person ist von dem Oberamt im Allgemeinen zu überwachen bezw. über- 
wachen zu lassen und zu diesem Zweck von Zeit zu Zeit über ihr Treiben, ihr Betragen 
und ihre Beschäftigungs= und Erwerbsverhältnisse Erkundigung einzuziehen, jedoch ist hier- 
bei die möglichst schonende Form zu wählen und Sorge zu tragen, daß durch die polizeiliche 
Einmischung nicht das Fortkommen der betreffenden Person gefährdet werde. Die Land- 
jäger und alle Polizeioffizianten haben im Uebrigen auf solche Personen ein wachsames Auge 
zu richten und Wahrnehmungen, welche ihnen erheblich erscheinen, der Obrigkeit an- 
zuzeigen 5). 
J) Die Aufsicht über entlassene Strafgefangene und zwar: 
o. über die nach den §§ 23— 26 des Str.G. B. nur vorläufig Entlassenen 
wird nach den näheren Bestimmungen der Verfügung der Ministerien der Justiz 
und des Innern v. 19. Jan. 1872 (RBl. 21 ff.) ausgeübt. Sie steht mit dem 
Strafvollzug im engsten Zusammenhang. 
8. Für die aus der Strafanstalt (einem Zuchthaus oder Landesgefängniß) gänz- 
lich entlassenen Gefangenen ist nur insoweit besondere polizeiliche Für- 
sorge getroffen, als dieselben unvermöglich oder unter polizeiliche Aufsicht gestellt 
sind?). Hiernach ist die Ortsobrigkeit der Heimathgemeinde seitens der Gefängniß- 
verwaltung von der bevorstehenden Entlassung 14 Tage vorher in Kenntniß zu 
setzen und hat dann für die vorläufige augenblickliche Unterkunft des Entlassenen 
zu sorgen, ihm auch für sein künftiges Fortkommen an die Hand zu gehen. 
Kann der zu Entlassende dem Verwalter der Anstalt einen andern Ort angeben, 
  
1) A. Bl. S. 115. 
2) A. a. O. Z. 11 u. M. Verf. v. 2. Febr. 1884 (A.Bl. S. 65). 
3) Vgl. d. M. Erl. v. 23. Aug. 1879 u. 4. Jan. 1887 (A. Bl.). 
4) Ueber die instruktionellen Vorschriften vgl. Z.-Huzel S. 318ff. 
· ö) Gegen diese Verfügung ist eine Beschwerde bei dem Ministerium des Innern zulässig, soweit 
nicht die Voraussetzungen des § 490 der Str. Pr.O. vorliegen. 
6) Vgl. auch a. a. O. 8§ 1, 2, 14—15. 
7) S. die M. Verf. v. 17. Jan. 1872 betr. die Maßregeln der Aufsicht u. Fürsorge bezüglich 
der unvermöglichen oder unter Polizeiaufsicht gestellten Strafgefangenen unmittelbar vor und nach 
ihrer Entlassung aus der Strafanstalt (R. Bl. S. 12).
	        
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