8 85. Die Sicherheitspolizei. 283
wo er zuverlässig sein Unterkommen finden werde, so ist er an letzteren Ort zu
verweisen, zugleich aber hiervon der Ortspolizeibehörde der Heimathgemeinde Nach-
richt zu geben. In beiden Fällen hat sich die Verwaltung der Strafanstalt von
der Ankunft des Entlassenen am Orte seiner Unterkunft zu versichern 1).
d) Die Fremdenpolizei. Hierher gehören:
a. das Paßwesen:). Dieses ist jetzt ausschließlich geregelt durch das Nd. B. G.
vom 12. Okt. 1867, welches in Württemberg gleichzeitig mit der Reichsverfassung
in Kraft trat?). Nur die landesgesetzlichen Bestimmungen über Zwangspässe —
durch welche einer Person, wofern sie Aufenthaltsbeschränkungen unterliegt, eine
bestimmte Reiserichtung vorgeschrieben wird. — werden dadurch nicht berührt.
Eine solche zwangsweise Reiserichtung findet in Württemberg namentlich statt
zum Vollzug einer Ausweisung oder zur Heimweisung entlassener Sträflinge (s. o.).
Sie kann aber auch in andern Fällen vorkommen, soweit ein polizeilicher Zwang
zum Reisen an einen bestimmten Ort zulässig erscheint).
8. Das Meldewesen)).
Neuanziehende Personen im Sinne des Freiz. G. 8 4 u. des U. W. G.
§ 10 sind verpflichtet, sich bei der Ortsbehörde derjenigen Gemeinde, in welcher
sie ihren Aufenthalt nehmen — mögen sie derselben als Bürger angehören oder
nicht —, innerhalb acht Tagen, von dem Tag ihres Anzugs an, zu melden, auch
sich auf Verlangen der Gemeindebehörde über ihre Staatsangehörigkeit auszu-
weisen und über ihre sonstigen persönlichen und ihre Familienverhältnisse Aus-
kunft zu geben. Personen, welche nicht hinreichende Kräfte besitzen, um sich und
ihren nicht arbeitsfähigen Angehörigen den nöthigen Lebensunterhalt zu verschaffen,
haben sich hierbei auch über die Mittel zur Bestreitung des hierzu erforderlichen
Aufwands zu erklären. Deutsche, welche in das militärpflichtige Alter eingetreten,
haben sich darüber auszuweisen, ob und in welcher Art sie ihrer Militärpflicht
genügt haben, bezw. in wiefern sie noch militärpflichtig sind 5).
Wirthe, welche Gäste beherbergen, sind verbunden, über die bei ihnen
übernachtenden Personen fortlaufende Verzeichnisse zu führen, worin der Tag der
Aufnahme, der Name, der Stand oder das Gewerbe und der Wohnort des Ueber-
nachtenden anzugeben ist. Diese Verzeichnisse oder Auszüge aus denselben müssen
der Ortsbehörde binnen einer bestimmten Frist vorgelegt werden.
Dienstherrschaften und Gewerbeinhaber haben den Eintritt neuer Dienst-
boten, Lehrlinge, Gehilfen oder Arbeiter innerhalb acht Tagen der Ortspolizei-
behörde anzuzeigen?).
1) S. im Uebrigen a. a. O. §§ 1—10.
2) S. Jolly im Wörterb. d. d. V.R. II S. 206. Wesentlich verschieden von den Pässen
sind die Heimathscheine, d. h. die Ausweise über den Besitz der Staatsangehörigkeit (s. hierüber
oben S. 27 u. die M.Verf. v. 13. Aug. 1879 § 1 und v. 17. Apr. 1894 (A. Bl.).
3) R. Bl. 1871 S. 46 u. Beil. S. 19; vgl. übrigens auch die V.O. v. 15. Juni 1851 betr. die
Einführung von Paßkarten. Die Württ. V.O. v. 17. Nov. 1865 ist durch das R.G. aufgehoben
bezw. ersetzt. Wegen der Ertheilung von Auslandspapieren an Wehrpflichtige, welche sich noch nicht
im militärpfl. Alter befinden s. die M. Verf. v. 14. Febr. 1876 A.Bl. S. 53. Bezüglich Rußlands
s. die R.V.OO. v. 14. Juni 1879 (R.G.Bl. S. 155) u. v. 30. Juni 1894 (R.G. Bl. 501).
4) S. Pol. Str. G. v. 1871 Art. 15 Z. 1 u. Schicker hierzu S. 29f.
5) Vgl. Leuthold im Wörterb. d. d. V. R. II S. 92ff. u. bezüglich des württ. Rechts:
Pol. Str. G. Art. 15 Z. 2 u. die Königl. V.O. v. 6. Aug. 1872 betr. den Aufenthalt in den Ge-
meinden des Landes sowie die M.V. v. 27. Dez. 1872 über denselben Gegenstand, ferner Art. 20 Abf. 3
des Ausf.G. z. U. W. G. v. 17. April 1873.
6) V.O. v. 6. Aug. 1872 § 2, M.Verf. a. a. O. §§ 1 u. 2, Wehr O. v. 1888 § 105 Z. 3.
7) Vgl. auch bezüglich der Anzeige des Austritts: Ausf.G. z. U. W.G. v. 1873 Art. 20
Abs. 3 u. bezüglich der Krankenvers. d. Arb. das R.G. v. 10. April 1892 §F 81.